Das Gesicht des Teufels
habe.»
«Dann schlagen die Fürsten zurück?» Eine andere Frau hatte sich an Magdalenas Seite gedrängt.
Hanna nickte nur, was ein schauriges Aufheulen aus Dutzenden von Kehlen nach sich zog. Nun war kein Halten mehr. Die Menschen wogten gegen die Kutschwand. Jeder wollte Hannas Hände berühren, doch empfindlich, wie sie noch waren, schob sie sie schnell in einen Leinenbeutel, der auf ihrem Schoß lag.
In der Zwischenzeit waren sie vor dem großen doppelflügeligen Portal des Dominikanerinnenklosters angelangt. Nonnen, Laienschwestern und Stallknechte stürzten heraus und umringten die Kutsche. Flüche erschollen, Rufe wurden laut, die Gelegenheit sei günstig, sich die Klosterschätze einzuverleiben. Doch von den weißen Schleiern, schwarzen Gewändern und Skapulieren ging ein Bann aus, der verhinderte, dass die Menge handgreiflich gegen die Schwestern anrannte. Trotzdem hatte Hanna das Gefühl,dass auch die Aura der Nonnen bald keinen Schutz mehr bot. Denn wie den Deutschherren neidete das Volk auch den Dominikanerinnen ihre satten Pfründe.
Die Kutsche rollte in den Hof. Der Sand knirschte noch unter den Kutschenrädern, da polterten bereits die massigen Balkenriegel der Portaltüren und verriegelten die Klosterzufahrt. Der schlimmste Lärm wurde ausgesperrt, dafür erscholl Hundegebell.
«Das ist jetzt nicht wahr!», empörte Agathe sich, doch da war Babur auch schon an der Kutsche. Hanna lachte fröhlich los und stieß den Wagenschlag auf. Schwanzwedelnd zwängte Babur sich in die Kutsche, bellte und stupste Hanna die Nase ins Gesicht. «Wir sind ein Kloster und kein Hundezwinger», zeterte Agathe, während Marie und Lienhart Babur von Hanna wegzerrten. «Wer hat das erlaubt? Kaum bin ich weg, geht es hier zu wie bei den Wilden.»
«Ein bisschen Freude in diesen Tagen wird hier nicht schaden, Schwesterherz.»
Ulrichs versöhnliche Stimme und die amüsierten Gesichter der Nonnen dämpften Agathes Empörung. Da erklang der helle Ton des Türklopfers.
«Der Stadtrichter Jacob Aufreiter, Priorin.»
«Soll hereinkommen.»
Erneut schwangen die Flügeltüren auf. Jacob Aufreiter ritt in den Hof.
«Komme ich ungelegen?»
«Ginge es nach dem Hund, würde man sagen müssen, ja», meinte Ulrich schmunzelnd.
Babur nämlich bellte und knurrte den Stadtrichter an, als würde dieser ihn bedrohen. Aufreiter ließ sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Ruhig schwang er sich aus dem Sattel, reichte Agathe, die noch immer in der Kutsche saß, die Hand und half ihr beim Aussteigen.Fast demütig beugte er das Haupt und murmelte etwas, das sich anhörte, als würde er einen schweren Gang antreten.
Derweil machte Ulrich Lienhart und Marie ein Zeichen, mit Babur das Weite zu suchen.
Agathe schlug vor, sich doch besser im Kapitelsaal zu unterreden, Aufreiter aber schüttelte den Kopf: «Das ist nicht nötig, ich habe nur eine kurze Botschaft für … für die Seherin Hanna Völz.»
Er schaute in Hannas Richtung, dabei hob und senkte sich seine Brust, als würde er eine tiefsitzende Unruhe in sich niederkämpfen. Hanna entging nicht, dass er es vermied, sie länger anzusehen. Sie erinnerte sich, wie er bei ihrer Begegnung vor dem Büttelhaus den Arm hochgerissen hatte, als hätte sie den bösen Blick, vor dem er sich schützen wollte.
Irgendetwas ist mit ihm, dachte sie. Er macht mich frösteln. Seine Augen sind kalt und dunkel wie ein Grab.
Steifbeinig kam Jacob Aufreiter um die Kutsche herum und wartete, bis sie ausgestiegen war.
«Ist Euch nicht wohl?»
Ulrichs Frage ließ Aufreiter herumfahren.
«Warum?», blaffte er ihn an.
«Ihr zittert.»
«Das sind nur meine müden Knochen.»
Hanna hatte das Gefühl, als sträube sich jede Faser ihres Leibes gegen den Stadtrichter. Das Frösteln, das ihren Körper befallen hatte, wurde stärker. Gleichzeitig kämpfte sie gegen den Zwang an, beide Arme von sich zu strecken, als müsse sie Jacob Aufreiter daran hindern, noch näher an sie heranzutreten.
«Dir ist Unrecht und Leid angetan worden, Hanna Völz», begann der Stadtrichter mit so rostiger wie fahler Stimme. «Das ist nicht entschuldbar. Auf jeden Fall entfalten deineGesichte mächtige Kräfte, ja Ängste in den Herzen der Menschen. Sie für die Sache der Ordnung zu nutzen, wäre vielleicht nicht falsch.»
«Wie anders Ihr jetzt klingt. Bei unserer letzten Begegnung habt Ihr mir vorgeworfen, ich würde die Menschen mit meinen Gesichten gegen die gottgewollte Ordnung aufwiegeln wollen.»
«Ihr
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