Das Gesicht des Teufels
versteht mich nicht.» Jacob Aufreiter schaute sich hilfesuchend zu Agathe um, doch diese machte keinerlei Anstalten, ihm zu Hilfe zu kommen. «Ich will nur das Beste für die Stadt. Wo jetzt doch alles aus den Fugen zu geraten droht.» Er suchte jetzt Ulrichs Blick, der zustimmend nickte. Und als müsse er ihn überzeugen und nicht Hanna, sprach er an ihn gewandt fort: «Dieser Dr. Carlstadt, Ritter von Detwang, wir haben ihn doch beide kennengelernt, er sitzt jetzt auf Betreiben seines Freundes Bürgermeister Kumpf im Rat. Frech genug ist er, in der St. Jacobs Kirche zu predigen. Und zwar gegen alles, was uns heilig ist! Ratsprediger Dr. Teuschlin reibt sich die Hände. Jetzt glaube auch ich, dass er es damals war, der unsere heilige Reliquie beschmiert hat.»
«Wovor genau habt Ihr denn Angst?»
Hanna trat einen Schritt auf den Stadtrichter zu.
«Angst? Ich? Vor dir, einer einfachen Köhlerin? Kind, bist du von Sinnen?»
Warum habt Ihr dann Schweißperlen auf der Stirn?, fragte sich Hanna im Stillen. «Natürlich nicht vor mir», antwortete sie. «Aber die Vorstellung, das Landvolk würde Eure Höfe anzünden und die unter Euren Wucherzinsen leidenden Bauern und Häcker in der Hege und der Stadt würden Euer schönes Haus am Markt plündern, dieser Gedanke bereitet Euch schon Unbehagen, nicht wahr?»
Nur zu gut erinnerte Hanna sich an die Erzählungen der Wilderer. Glaubt er tatsächlich, mein Herz schlügewegen der entsetzlichen Feuerprobe zwangsläufig für ihn und seinesgleichen?, dachte sie voller Abneigung. Er will mich nur vor seinen Karren spannen. Ich soll den Aufständischen einheizen. Er will mich missbrauchen und mit meinen Gesichten Schrecken verbreiten.
«Wir alle gewinnen, wenn die Aufstände nicht noch weiter um sich greifen.» Jacob Aufreiters Stimme hatte Farbe und Kraft gewonnen. «Aber natürlich bist du zu dumm, Hanna Völz, dies begreifen zu wollen. Ich sehe, ich vergeude hier meine Zeit.»
Ein verächtliches Zucken seines Mundes begleitete die harschen Worte. Agathe von Detwang warf ihrem Bruder einen wütenden Blick zu. Doch Ulrich schwieg. Ohne länger zu überlegen, legte er den Arm um Hannas Schultern und zog sie an sich. Erleichtert schloss Hanna die Augen.
«Lass uns gehen», flüsterte sie. «Ich möchte zu Marie.»
Ulrich führte sie weg. Sie hörte, wie Agathe sich bei Aufreiter entschuldigte, sich gleichwohl aber verwundert zeigte, dass er Hanna überhaupt eines Gesprächs für würdig erachtet hatte. Aufreiter antwortete mit einem hochtrabenden Lachen: «Nehmt Euch vor ihr in Acht, Priorin. Und redet Eurem Bruder gut zu. Denn dieses Weibsstück scheint ihn fürwahr verhext zu haben.»
Ulrich drehte sich nicht um, sondern hakte sich bei Hanna unter. Diese aber erschrak bis ins Mark. Und ich dachte, es wäre ausgestanden, schoss es ihr durch den Kopf. Dabei geht es nur anders weiter. Jetzt aber habe ich einen Feind, gegenüber dem ein Valentin Schnitzer und all die anderen Schreier nur kleine Fische sind.
«Aufreiter wäre ohne seine Schwiegereltern und Josepha, die taubstumme Schwester seiner verstorbenen Frau, der fünftgrößte Grundherr der Stadt», riss Ulrich sie aus ihren Gedanken. «Neben uns Deutschherren, dem Spital, den Franziskanern und Dominikanerinnen.»
«Was willst du damit sagen? Und was hat das mit mir zu tun?»
«Dass er sich in Wahrheit gut stehen würde, sollten die Aufständischen sich an seinen Steinbacher Schwiegereltern vergreifen. Ihr Ruf ist kaum besser als der seinige.»
«Warum hat er eigentlich den Samariter spielen wollen?»
Ulrich zuckte die Schultern. «Vielleicht so etwas wie schlechtes Gewissen. Gleichzeitig hoffte er wohl, seinen Ruf aufzupolieren. Aber weil er nun einmal geizig ist, wollte er so billig einkaufen wie möglich. Herren-Müller Jobst Gessler nun wird das Geld an seine sogenannten Freunde verteilt haben. Damit lenkt er von seinem Wohlstand ab und gilt selbst als Samariter.»
«Ach, so ist das. So einfach?»
«Bestimmt.»
Sie hatten den Gemüsegarten erreicht. Hanna machte sich von Ulrich los und lief zu Marie. Ihre Schwester und Lienhart warfen Stöckchen, die Babur brav zu ihnen zurückbrachte. Obwohl er schon mal durch die Beete hetzte, lachten die Laienschwestern genauso wie die Gartenknechte. Doch die Ausgelassenheit währte nur kurz. Denn schon bald hörten sie Agathe.
«Verschwindet!», herrschte sie Hanna an. «Und zwar alle, die ihr hier nicht zu Hause seid.»
«Das gilt doch aber nicht für deinen
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