Das Gesicht des Teufels
Suppentassen gefüllt wurden, Fleisch angebraten wurde.
Ulrichs Vorschlag, mit Marie, Lienhart und Babur Ursula zu besuchen und nach der Köhlerei zu schauen, hatte sie jedoch bislang abgelehnt. Sie wolle hier erst mit allem fertigwerden, sagte sie, denn in ihrer Hütte am Wachsenberg erinnere sie alles zu sehr an Feuer, Angst und Glut.
31
«Was kann ich dir heute denn einmal Gutes tun?» Ulrich setzte sich neben sie auf die Küchenbank. Koch und Küchenhilfe hoben gerade einen Kessel Hühnersuppe vom Zahn und trugen ihn in die Gesindestube, wo die Bänke längst besetzt waren und Schmalzbrote verzehrt wurden. Jemand rief, die Bierkannen seien leer, ein anderer verlangte mehr Salz. «Dass du es hier aushältst», fuhr er fort. «Nebenan der Lärm, hier ein Dunst wie in einer Waschküche, und zu warm ist es sowieso. Überhauptverstehe ich dich nicht: Hier in der Küche wird gesotten und gebraten, Glut ist hier alles.»
«Aber es riecht gut.»
«Zugegeben. Dann hast du also Appetit?»
Sie wandte sich ihm zu, fast zeitgleich bewegte sich sein Kopf vor. Er seufzte, als sich ihre Lippen berührten, Hanna hingegen brummte unwillig.
«Nicht, oder nicht hier?»
«Vielleicht käme es auf eine Probe an?»
Hannas Augen glänzten. Ein schelmisches Lächeln huschte über ihr Gesicht, doch es verblasste ebenso schnell, wie es gekommen war. Sie senkte den Kopf, seufzte. Ulrich legte den Arm um sie, kitzelte sie. Hanna wand sich, kicherte. Schließlich lachte sie befreit auf. «Womit hab ich dich verdient? Was geb ich dir denn?»
«Deine Liebe.»
Hanna lächelte. Die Küchenhilfe schnaufte mit zwei großen Kannen Bier vorbei, der Koch erzählte in der Gesindestube einen Witz. Gelächter brandete auf, da erhob Ulrich sich, fasste Hanna an den Handgelenken und zog sie von der Bank. Unsicher schaute Hanna ihn an, Ulrich aber legte den Arm um sie und schob sie sanft aus der Küche.
Draußen wogte das Frühlingslicht mit einer solchen Intensität, dass sie beide geblendet die Augen schlossen. Als Hanna sie wieder öffnete, schreckte sie zusammen. Ein Mann stand vor ihr.
«Hegemeister! Habt Ihr mich erschreckt!»
«Verzeiht mir. Ich sah euch beide stumm auf der Stelle stehen, jeder schien tief in seine Gedanken versunken. Störe ich?»
«Nein, wo denkt Ihr hin», antwortete Ulrich. «Ihr seid immer herzlich willkommen. Habe ich das noch nie gesagt? Wir haben uns schon gefragt …»
«… das glaube ich sofort, leider ist das eine Geschichte für sich.» Bernward kreiste mit dem Zeigefinger vor seinem Auge und machte ein abfällige Miene. Gemeinsam gingen sie ins Haupthaus und setzten sich in die Stube. Bernward äußerte mit Nachdruck, wie sehr er mit Hanna leide, sie aber auch bewundere, bevor er seinerseits zu erzählen begann.
«Ihr habt gute Worte für die Ursula, Hegemeister», neckte Hanna ihn. «Leider ist sie schon unter der Haube.»
«Ja, das haben wir beide inzwischen festgestellt.»
Bernward strich sich seinen Bart und schaute versonnen über den Tisch. Ulrich hatte ein Gedeck mehr auftragen lassen, auch Katharina von Detwang freute sich über den Besuch. Gemeinsam aßen sie zu Mittag: Hühnersuppe mit Hirseklößchen, Schweinebraten mit Dörrobst, zum Nachtisch Quark mit Zucker und Zimt. Der Wein war mit frischem Brunnenwasser gemischt, Ulrich und Bernward süßten ihn zusätzlich mit etwas Honig.
«Die Stadt ist voller Gerüchte.» Bernward hielt Gustav, Ulrichs altem und bereits krummem Kammerdiener, sein leeres Glas hin und rückte schließlich mit dem Lehnstuhl ein Stück vom Tisch weg. «Die einen wollen bereits Truppen des Schwäbischen Bundes gesichtet haben, andere schreien dem blinden Franziskanermönch Hans Schmidt nach, auch sie hätten nachts den Antichrist wütend durch die Gassen heulen hören, weil immer mehr Rothenburger vom katholischen Glauben abfallen und zu den Lutherischen überlaufen. Sicher ist, dass die Handwerkerschaft das Kollegium mit Klagen wegen offener Rechnungen und gottlos niedriger Löhne überschüttet.»
Bernward machte eine Pause, trank einen Schluck Wein und fuhr dann an Hanna gewandt fort: «Und dann lief mir am Schrannenplatz Eure Laienoberin über den Weg, Hanna. Besser gesagt, ich sah sie mit dem Laienprior derFranziskaner und ein paar Bruderschaftsgeistlichen. Ihre Mienen troffen vor salbadernder Übereinstimmung. Was ich im Vorüberreiten aufschnappte, läuft darauf hinaus, dass sie das Rothenburger Bürgerrecht einfordern wollen. Nach der Art: Was bei
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