Das Gesicht des Teufels
Dominikanerinnen und Mönchen rechtens ist, muss auch für uns, die wir ja wirtschaften und für den Wohlstand der Klöster verantwortlich sind, billig sein.»
«Meinem Herrn Sohn und seiner Liebsten sind die gegenwärtigen Ereignisse noch nicht weltenstürzlerisch genug, als dass sie sich wirklich dafür interessierten, Hegemeister. Oder anders ausgedrückt: Sie sind sich zurzeit selbst genug.» Katharina von Detwang stellte ihr leer gekratztes Quarkschälchen auf den Tisch und erhob sich. Sie klang bewusst ironisch und schaute auch mit entsprechendem Gesichtsausdruck in die Runde. Doch Ulrich ließ sich nicht provozieren, im Gegenteil. Gelassen hob er eine Augenbraue und forderte seine Mutter auf, weiterzusprechen und dabei kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Katharina von Detwang blickte über ihn hinweg zu Bernward. «Andererseits ist Abwarten auch eine Haltung. Schließlich werden ja längst Landsknechtstruppen ausgehoben. Sie werden die gute alte Ordnung schon wiederherzustellen wissen.»
«Die gute alte Ordnung?», fragte Bernward missbilligend und begegnete dem Blick von Ulrichs Mutter mit Kopfschütteln. «Bei allem Respekt, Frau von Detwang: Ich bin kein Lutheraner, aber wenn diese sagen, ein Christ sei zuallererst ein freier Mensch und finde seinen Weg zu Gott, auch ohne in der Truhe Ablasszettel zu stapeln – da haben sie recht. Also wäre die gute alte Ordnung eine Ordnung ohne Ablasshandel. Und was zum anderen in den zwölf Artikeln gefordert wird: Ist das nicht in Wahrheit etwas, was eigentlich ebenfalls gutealte Ordnung ist? Jagd, Fischfang und Holzschlag waren einmal frei! Allmenden und Hütewälder auch, ebenso durften die Menschen in den Dörfern selbst ihre Pfarrer wählen. Und die edlen Herren ließen Fron- und Spanndienste meist nur verrichten, wenn sie nicht auf Feste oder wichtige Feldzeiten fielen. In der Regel wurden die Bauern sogar dafür entlohnt, oder man kam ihnen beim Zehnten entgegen.»
«Ja, aber wo kämen wir bei der Abschaffung des Zehnten hin?», brauste Katharina von Detwang auf. «Und gar die Forderung, sich nie mehr leibeigen nennen zu wollen: Wo soll das enden? Herren und Knechte stünden auf gleicher Stufe!»
«Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann …»
«Ulrich! Bist du nicht mehr ganz bei Sinnen? Wie kannst du, ein Ritter, diesen Unsinnsvers im Munde führen? Sag, dass das nicht wahr ist.»
«Ist das Sprüchlein denn im Kern falsch?»
«Hanna! Was mischst du dich ein!»
Hanna zeigte ihre Hände: «Ich müsste bestimmt die Erste sein, die mit den Bauern hadert, oder?» Ulrich stand auf und kam um den Tisch herum. Schon standen Hanna Tränen in den Augen. Sie schaute erst Katharina von Detwang an, dann Bernward. Als Ulrich seine Arme um sie schlang, rieb sie erschöpft ihre Wange an seiner Hand. Stockend sprach sie weiter. «Vergeben kann ich dem Ickelsheimer nicht. Und doch habe ich Mitleid mit vielen Aufständischen. Aber ihre Zeit läuft ja längst ab. Ich weiß, dass die Welt von meinen Gesichten Besitz nimmt und die Tage bis zu ihrer Erfüllung immer weniger werden.»
«Du spielst darauf an, was in Leipheim geschah?»
Bernward schaute zu Ulrich, doch Hanna schüttelteden Kopf. «Nein. Aber so wird es wieder kommen: Waren es in Leipheim ein paar hundert, die hingeschlachtet wurden, werden es bald Tausende sein. Es wird kein Erbarmen geben, Bauern, die um Gnade winseln, werden genauso niedergestochen werden wie Verletzte, die sich nicht mehr wehren können.»
«Aber doch nicht hier, in unserem schönen Rothenburg?»
Bernward klang fassungslos. Ungläubiges Grauen trat auf sein Gesicht. Ein Kaminscheit loderte auf, ein anderes fiel in sich zusammen. Danach war es so still, dass Hanna für einen Moment glaubte, die Zeit angehalten zu haben. Sie spürte, dass alle auf ein erlösendes Wort von ihr hofften, doch sie konnte keinen Trost bieten.
Es ist, wie es ist, dachte sie, und auf einmal ergriff sie tiefe Müdigkeit. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Nach einer Weile seufzte sie und rutschte ein Stück auf dem Stuhl nach vorne. Noch immer wurde geschwiegen. Hilflos schaute Ulrich Bernward an, der es nach einer Weile nicht mehr aushielt und sich ächzend erhob.
Der dunkle Bann war gebrochen.
«Unsinn», murmelte Ulrichs Mutter. «Und selbst wenn: Wer von uns hat denn etwas zu befürchten?»
32
Während der Frühling mit immer neuem Grün und leuchtenderen Farben ins Land zog, war es Hanna, als legten sich unsichtbare erdige
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