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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Schleier um sie. Sie nahmen ihr den Atem und hielten das Licht von ihrer Seele fern. Es fiel ihr zunehmend schwerer zu lächelnund zu sprechen, und wenn Ulrichs besorgte Blicke sie trafen, hatte sie das Gefühl, als müsste sie sich vor seinen stummen Fragen klein und krumm machen wie ein altes Weib.
    Insgeheim zählte sie die Stunden, bis er sie verstoßen würde. Ich ertrinke in der Asche, die mein Leben bislang begleitet hat, dachte sie voller Gram. Die wenigen schönen Momente, in denen ich glücklich war, ruhen im Brunnen der Vergangenheit. Aber er ist so tief. Zu tief für mich, als dass ich wenigstens ab und an einmal den Wasserspiegel sehen könnte.
    Teilnahmslos stand sie am Fenster des Detwanger Schlossturms und schaute in die Ferne. Ulrich hatte Laute für sie gespielt, mehr schlecht als recht, hatte schließlich aufgegeben und war ausgeritten. Sie wusste, wie sehr er darunter litt, sie nicht aufmuntern zu können, und fühlte sich entsetzlich schuldig, dass sie ihm nicht mehr sein konnte als eine an der Seele verwundete Esserin.
    Schnelle Schritte auf der Turmtreppe ließen sie aufhorchen. Sie waren leichtfüßig, klangen entschlossen.
    «Ah, die Büßerin.»
    Hanna fuhr herum: «Frederike!»
    «Das hättest du nicht erwartet, wie?»
    «Dass Ihr einmal kommen würdet, war abzusehen. Nur seid Ihr noch früher gekommen, als ich es erwartet habe. Aber so wie es ist, ist es auch gut. Aus mir spricht nur noch das Entsetzen über das mir Angetane. Die Glut hat meine Hände anscheinend weniger zerstört als meine Seele. Ich wünsche Euch viel Glück.»
    Seit langer Zeit brachte Hanna wieder ein Lächeln zustande. Und auch wenn sie selbst um dessen Flüchtigkeit wusste, glaubte sie fest, dass es aufrichtig wirkte. Frederike dagegen schaute, als habe sie kein Wort verstanden. Ihr Stolz schien sich verflüchtigt zu haben, Bestürzungmalte sich auf ihrem Gesicht – doch da hatte Hanna auch schon ihr Kleid gerafft und das Zimmer verlassen. Ohne zu zögern oder sich noch einmal nach Frederike umzuschauen, schritt sie die Stufen hinab. Ihre Miene wirkte ausdruckslos, allein ihre Augen leuchteten.
    Es war später Nachmittag, ein kühler Windstoß wehte ihr eine Haarsträhne ins Gesicht. Von der Tauber kam frischer Wasserduft, Ziegen meckerten, Schwalben jagten durch die Luft. Hanna achtete nicht darauf. Sie beschleunigte ihre Schritte und folgte den Schatten, die die Dorfgassen eroberten. Zwei Mägde mit Kiepen voller frischen Grüns grüßten, beachteten sie aber nicht weiter. Der Weg führte geradewegs auf die mit dichten Hecken befestigte Ostgrenze Detwangs zu. Das Tor stand offen, die dahinterliegenden Felder waren verwaist.
    Es ist alles so leicht, dachte Hanna. Man geht einfach weg. Sie raffte ihr Kleid ein Stück höher und begann zu rennen. Zwischen zwei Feldern hindurch führte ihr Weg geradewegs auf den Wald zu. Vogelgezwitscher empfing sie, und als die herbe Kühle der knospenden Buchen sie einschloss, fühlte sich Hanna das erste Mal seit Tagen richtig geborgen. Sie breitete die Arme aus und hieß den Wald willkommen. Mit jedem Schritt wurde ihr leichter ums Herz.

33
    Wenn sie nicht döste oder schlief, fand sie immer etwas, um sich abzulenken. Entweder holte sie Wasser, oder sie senste die ersten frischen Kräuter, dann wieder harkte sie das Grab unter der Eiche und fegte altes Laub zusammen, das sie anschließend verbrannte.Nur morgens und abends setzte sie sich auf die Bank vor der Hütte und lauschte eine Weile mit verschränkten Armen dem Vogelkonzert. Hatte sie genug, kümmerte sie sich wieder um den vor sich hinschwelenden Meiler, und so anstrengend die Arbeit für ihre Hände auch war, sie schonte sie nicht.
    Bald war es wieder so weit, es galt, einen neuen Meiler zu bauen. Konzentriert, ja geradezu verbissen richtete sie die hüfthohen Stämme des Feuerschachtes aus, stabilisierte ihn mit Querstücken und umstellte alles mit der ersten Lage armlanger Buchenstücke. Das ist meine Arbeit, meine Arbeit, meine Arbeit dachte sie, und mehr wollte sie auch gar nicht im Kopf haben. Längst war dieser eine Satz zu einer Melodie geworden, in deren Rhythmus sie auch mit Ursula die Stämme zersägte, entastete und schwelfertig machte.
    «Ursula, sing mir was», rief sie schließlich, «das lässt mich so schön vergessen.» Sie blinzelte in die Sonne. Die Luft war frisch, ein Aprilschauer war über sie hinweggezogen. Hanna stand der Schweiß auf der Stirn, schon machte sie sich daran, die zweite Lage

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