Das Gesicht des Teufels
Buchenstücke um den Feuerschacht zu stellen. «Auf, zier dich nicht. Ein Lied, bitte.»
«Nein.»
«Warum nicht?»
«Weil du spinnst und dir ein Lied auch nicht hilft.»
Entrüstet schaute Hanna auf. Sie wischte mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und stemmte die Arme in die Hüften: «Wieso? Ich kann arbeiten. Schau doch.»
Sie wickelte die schützenden Stoffstreifen von den Händen und hielt sie in die Sonne. Ursula trat zu ihr und fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger über die Wundränder. Sie nickte, dann verzog sie unwillig das Gesicht. «Jaja, du willst beweisen, dass deine Hände durch die Arbeit wiederrichtig gesund werden», sagte sie ärgerlich, «und weil die Narben bislang nicht aufgeplatzt sind …»
«… siehst du, so gut ist Schweineschmalz …»
«… weil die Narben bislang nicht aufgeplatzt sind, glaubst du, auch deine Seele mit Arbeit kurieren zu können.»
«Arbeit ist der Trost der Aufrechten», rief Hanna wütend.
«Was ist das denn für eine seltsame Philosophie! Aus jetzt!»
«Was maßt du dir an! Bin ich ein Hund?»
«Dümmer schon.»
Hanna riss den Mund auf, um zurückzuschimpfen, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Eine Weile hielt sie Ursulas forschendem Blick stand, dann senkte sie den Kopf. Ein Zittern erfasste ihren Körper, machte sie klein und raubte ihr alle Kraft. «Ich … warum hat er es nicht verhindern können? Warum hat Gott zugelassen, dass der Mann, den ich liebe, mir nicht hilft?»
Hannas Stimme brach. Der Zeitpunkt war gekommen, wo sie ihrem Schmerz nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Mühsam versuchte sie aufzuschauen, doch es reichte nur noch zu einem Aufschluchzen. Sie schwankte, drohte zusammenzubrechen, aber da hatte Ursula sie bereits aufgefangen. Als sei Hanna ihre Tochter, barg sie sie in ihren Armen, drückte die Bebende an sich und strich ihr tröstend über den Kopf. Hanna weinte, wie sie noch nie in ihrem Leben geweint hatte, und als es endlich nachließ, war sie so erschöpft, dass sie auf den klebrigen, regenfeuchten Ascheboden sank.
Als sie wieder zu sich kam, dämmerte es bereits. Sie erinnerte sich, dass Ursula ihr noch die Hände mit frischen Leinenstreifen umwickelt hatte, bevor sie eingeschlafenwar. Darum roch es jetzt leicht nach Schmalz – aber nicht auch nach Wein? Hanna blinzelte und spürte, wie der Rand eines Holzbechers ihre Unterlippe berührte.
«Trink und stärk dich. Wein hilft mehr als beten und hoffen.» Dankbar ergriff Hanna den Becher und trank ihn in einem Zug leer. «Der Hegemeister hat vorbeigeschaut», fuhr Ursula fort. «Aber ich habe ihn fortgeschickt. Es ist dir doch recht, oder?»
Hanna nickte. Fast gleichzeitig bekam sie ein schlechtes Gewissen. Er hat es nicht verdient, der Hegemeister, dachte sie. Da bequemt er sich am späten Nachmittag her … um dann einfach fortgeschickt zu werden.
Sie stemmte sich hoch, obwohl Ursula ihrem Blick auswich, Hanna fiel jedoch auf, wie ausgeglichen, eigentlich glücklich Ursula aussah. Bestimmt hat sie ihn gut gepflegt, dachte sie … Mich hat sie ja auch gleich in den Arm genommen.
Da schlug Hanna sich die Hand vor den Mund: «Ursula!»
«Ja?» Ursulas Augen blitzten, und sie lächelte schelmisch. «Hast du eins und eins zusammengezählt?»
«Ich glaube, ja.»
«Na wunderbar. Und damit weißt du jetzt, dass Bernward nicht wegen dir hier war, sondern wegen mir. Um es kurz zu machen: Er gefällt mir und ich ihm. Wir hatten schon viel Spaß miteinander.»
Hanna schaute Ursula groß an. Sie spürte ihr Herz klopfen, schluckte. Plötzlich wurde ihr eng um die Brust, und sie musste tief einatmen. «Vorhin … weißt du, da war mir, als würde jede Faser meines Körpers reißen. Noch nie in meinem Leben habe ich so etwas gefühlt. Jetzt sag du mir, du Glückliche: Habe ich alles nur geträumt?»
«Du meinst, weil dein Ritter dir nicht nachgesetzt hat und du jetzt schon drei Tage auf ihn wartest?»
«Ich warte nicht auf ihn!»
Hanna wunderte sich selbst, wie wütend sie plötzlich klang.
«O doch.» Ursula ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. «Du wolltest dich mit Arbeit betäuben, nur um nicht an ihn zu denken. Und warum? Weil du ihn liebst, Hanna. So wie nur wir Frauen lieben können: Voller Glut, bis unsere Empfindungen uns taumeln machen und uns vorgaukeln, wir könnten alle Prüfungen bestehen.»
Sie legte einen Scheit ins Feuer und schürte die Glut. Hanna wusste nicht, was sie erwidern sollte, und schwieg. Sie hat recht,
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