Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
Vom Netzwerk:
Bauch, den Schoß.
    «Mehr.»
    Ulrich rutschte langsam nach unten. Ihr Keuchen ging in lautes Stöhnen über, draußen aber zogen wieder Wolken auf, und der nächste Schauer kündigte sich an.
    Gegen Mitternacht duftete es nach gebratenem Huhn.
    Den folgenden Tag verschliefen sie, die beiden nächsten Tage lasen sie sich aus der Bibel vor.

39
    Hanna schüttelte die Felle aus. Endlich schien wieder die Sonne, und die feuchte Kühle der letzten Tage verdunstete in der Mittagswärme. Ginge es nach mir, würde ich für immer hierbleiben, dachte sie. Es ist ein gesegnetes Fleckchen Erde, gerade so, als würde es von Gott selbst geschützt. Sie summte ein Lied und erfreute sich an zwei Hummeln, die kopfüber in den violetten Blüten einer Wiesenstaude brummten. Die Wiese dampfte, es duftete nach Gras und Erde.
    Ein Kuckuck rief.
    Hanna hob den Kopf, schaute um sich. Wen willst du jetzt wieder mit deinen beiden Tönen warnen?, dachte sie. Mich oder Ulrich? Oder uns beide?
    Sie lauschte noch eine Weile, doch der Kuckuck hatte nur kurz gerufen. Dafür schrie jetzt ein Eichelhäher.
    Dann wird Ulrich gleich kommen, frohlockte Hanna. Schnell trug sie die Felle in die Hütte. Als sie wieder heraustrat, hörte sie Raban.
    Hanna runzelte die Stirn. Warum reitet er so schnell? Er hat doch Zeit. Oder ist Raban ein zweiter Mahut und geht gerade durch?
    Raban preschte den Hang hoch. Er hatte Schaum vor dem Maul, Ulrich trieb ihn unerbittlich an.
    «Hanna! Wir müssen weg hier. Wenn sie herauskriegen, was es hier oben gibt, werden sie es genauso niederbrennen.»
    «Was ist denn los? Warum ‹genauso›?»
    Ohne zu antworten, sprang Ulrich aus dem Sattel. Er lief zur Regenwassertonne, schöpfte einen Eimer und schleppte ihn vor Raban. Der Hengst zitterte, sein Bauchfell glänzte vor Schweiß. Sofort begann er zu saufen.
    «Er wird nicht viel Zeit haben, sich auszuruhen. Das Holz in der Herdstelle lassen wir verglimmen. Das macht weniger Rauch und Geruch, als wenn wir die Glut löschen.»
    «Würdest du mir bitte sagen, was passiert ist?»
    «Es ist Krieg, Hanna», stieß Ulrich unwirsch hervor. «Während wir uns hier wie auf einer Insel der Seligen dem Nichtstun hingeben, wird neben uns geplündert und gezündelt.»
    «Das klingt, als machtest du mir deswegen einen Vorwurf.»
    «Nein, natürlich nicht. Es ist nur meine Ohnmacht. Es scheint, als sei jetzt alle Ordnung zusammengebrochen. Ich habe gesehen, wie das Gesinde vom Steinbacher Gut floh, sah Dutzende bewaffnete Aufständische mit Fackeln. Verlumpte Gestalten   … die zum Teil aussahen, als wären sie aus Gräbern gestiegen.»
    Er zog Raban den Eimer fort, schüttete den Rest Wasser aus und schloss den Unterstand ab. Hanna schnürte es den Hals zu. Gerade eben war sie noch mit sich und der Welt im Reinen gewesen, jetzt schien es, als würde die Welt sie wieder verstoßen. Sie betrachtete ihre Handinnenflächen. Schrundige Hautwülste schlossen ein rissiges Narbenfeld ein, aus dem noch immer Gewebsflüssigkeit drang. Bei jeder Bewegung spannte die Haut, die Finger waren manchmal taub, zuweilen schmerzten sie bis in die Kuppen. Aber sie hatte sich längst daran gewöhnt und gab die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages nur noch die Narben sie an die schlimmste Stunde ihres Lebens erinnerten.
    Ulrich betrachtete sie stumm, schließlich sagte er: «Wir müssen denselben Weg zurück.»
    «Wenn du es sagst. Im Übrigen möchte ich nach Ursula und Magdalena schauen. Bestimmt denken sie schon, sieseien Luft für mich – wo ich doch jetzt auf einen Ritter hoffen kann.»
    «Warum nur hoffen?» Ulrich half Hanna aufs Pferd, setzte sich hinter sie. Sie konnte spüren, dass er lächelte, als sie ihren Kopf an seinen Hals schmiegte. Sie küsste seine Wange, huschte mit der Zungenspitze kurz über sein Kinn. Ulrich brummte zufrieden, er hielt Raban sicher im Schritt. Langsam ritten sie den Pfad hinab, blieben aber in regelmäßigen Abständen stehen, um zu lauschen.
    Noch war nichts zu hören. Doch als sie den Pfad und die Waldwiese hinter sich gelassen hatten, roch Hanna den Rauch. Der Brandgeruch wurde schnell stärker, bald entdeckte sie die ersten blauschwarzen Schwaden. Als das Steinbacher Gehöft in Sicht kam, hörte sie schreiende Frauen und das ängstliche Brüllen der Jungochsen im Stall. Zerlumpte Männer torkelten Fackeln schwingend zwischen den Wirtschaftsgebäuden herum, Flammen schlugen durch das Fenster eines Geräteschuppens, während das Dach über dem Backhaus bereits

Weitere Kostenlose Bücher