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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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sie allesamt zu dressierten Affen. Man plapperte und sang dröge liturgische Formeln nach, die man nicht verstand, und erhob und setzte sich, weil es einem angezeigt wurde.
    Jetzt war Hanna noch froher als sonst, dass die Messe dem Ende entgegenging. Obwohl draußen die Sonne schien, war es in der Kirche kalt. Sie fröstelte, aber den anderen ging es genauso. In einigen Bankreihen wurde laut gehustet, der Bäcker gar schnäuzte sich, als wolle er es mit den Trompeten vor Jericho aufnehmen.
    Jetzt ist aber Schluss mit der Grübelei, ermahnte Hanna sich. Sollen die Goltz-Brüder ruhig mit dem Götz von der Fischerzunft und ein paar Gesellen zu uns kommen. Dann können sie wenigstens nicht gleich zuschlagen. Wo Zeugen sind, werden nur Worte fliegen.
    «…   wie auch wir vergeben unseren Schuldigern   …» Hanna stockte, sprach nicht weiter. Erst das Amen sprach sie wieder mit. Und schloss im Geiste: Arndt, ich vergebe dir. Aber tu’s nie wieder.
    Fühlte sie sich jetzt wohler? Ein bisschen. Sie strich über die Schürze ihres Sonntagskleids und seufzte. Notfallskann ich das Kleid ja verkaufen, dachte sie. Es ist eigentlich Überfluss, für eine Köhlerin ist es viel zu fein. Doch sofort krampfte sich alles in ihr zusammen. Nein, es ist Mutters Kleid. Sie hat es sich vom Munde abgespart, sieben lange Jahre, Heller für Heller, Kreuzer für Kreuzer. Es macht was her, wirft Falten, und die Schürze ist fein bestickt. Der Goller glänzt sogar, so fein ist die Wolle.
    Imke streckte ihr die Hand hin und wünschte alles Gute für den Tag und die Woche, die Bauersleute vor ihr schlossen sich an. Hans Stöcklein breitete die Arme aus und erteilte den Segen – endlich war die Messe vorbei.
    Man kann schon neidisch werden, dachte Hanna, als sie draußen den Männern nachsah, die in der Schänke verschwanden. Auch ich hätte jetzt Lust auf ein Glas. Aber wenn ich allein einen Fuß in die Schänke setze, dann werden sich alle das Maul zerreißen.
    Ihre Blicke kreuzten sich mit denen zweier Bauernburschen. Es waren die Leitgeb-Zwillinge, die sich beide nur durch die Farbe ihrer Hüte unterschieden. Beide nickten ihr zu, unterhielten sich aber weiter mit Valentin Schnitzer, dem Sohn des Mesners, der mit dem Rücken zu ihr stand. Hanna seufzte innerlich. Es war immer dasselbe. Am Sonntag war sie für die Männer interessant, weil sie sauber war und mit ihrem guten Kleid auffiel. Man lächelte sie an, die Augen der Burschen leuchteten. Wie oft spürte sie, wie es in ihren Köpfen arbeitete, wie sie mit sich kämpften, ob sie sie vielleicht nicht doch ansprechen und auf ein Glas Wein einladen sollten. Aber bislang war keiner über seinen Schatten gesprungen, denn hinterher wäre ihm der Spott sicher gewesen.
    Hanna konnte sich bestens vorstellen, wie die jungen Männer untereinander redeten: Ah, schau an, du magst die hübsche Tochter vom Köhler Völz! Du, ich mag sie auch, denn sieht sie aus wie eine Vogelscheuche? Also. Klar, wiralle würden sie nur zu gern im Stroh haben. Aber dann   … ihre Hände sind voller Blasen, denn sie ist eine Köhlerstochter und arm, verstehst du? Sie bringt nichts mit, nichts ein. Nur ihr Bauch würde spitz werden. Aber willst du das? Nein, das ist den Spaß nicht wert. Dann lieber in der Stadt eine Magd. Die kann man besser sitzenlassen.
    Hanna wich den Blicken der Zwillingsbrüder aus und schickte sich an zu gehen. Nichts Neues, sagte sie sich. Der eine lächelt dümmlich, der andere geringschätzig. Doch da ertönte ein Pfiff, und gleich darauf hörte sie, wie einer der beiden Zwillingsbrüder rief: «Da geht sie. Frag sie einfach.»
    Hanna blieb stehen. Ihr wurde heiß. Hatte sich ihre Vision etwa schon herumgesprochen? Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, dachte sie. Und beleidigt habe ich auch keinen. Sie versteifte sich und schaute den Zwillingen entgegen, die mit dem Mesnersohn Valentin in der Mitte auf sie zugingen.
    «Du bist doch die Tochter vom Tilman Völz», stellte Valentin gedehnt fest.
    «Schon wahr.»
    «Eben.» Valentin nickte. Er war hager wie ein Rebstecken und hatte auffällig große Ohren. Sein Gesicht ist tatsächlich schafsähnlich, dachte Hanna, seine Augen dagegen hell und klug. Sie entspannte sich, denn Valentin und die Leitgeb-Zwillinge wirkten gelöst, ohne irgendwelchen Argwohn. «Also, Hanna, es geht um deine Schwester, die kleine Marie.»
    «Und? Was ist mit ihr?»
    «Einiges. Denn es gibt da jemanden, der sich in sie verliebt hat und deswegen jede Nacht

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