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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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verwitterten Bretterzaun umgebenen Hinterhof. Nach frisch geschlagenem Holz duftende Luft schlug ihr entgegen, dazu Kettenrasseln, Bellen und Knurren. Claus Schnitzer hielt seinem Hund eine rüde Strafpredigt, die diesen immer wütender machte. Die Leitgeb-Zwillinge stachelten ihn zusätzlich auf, indem sie sein Knurren nachzuahmen versuchten und sich nicht zu schade dazu waren, kindisch zu jaulen.
    Hanna indes trat langsam auf ihn zu und streckte ihm beide Hände entgegen. Und zu aller Erstaunen beruhigte der Hund sich sofort. «Babur, ich bin Maries Schwester, hörst du?» Babur spitzte die Ohren, sah sie aufmerksam an. In der Tat war er groß wie ein Wolf, aber das etwas zottelige weißbraune Fell erinnerte mehr an einen Kaltblüter als an ein Raubtier. Aber die Augen! Sie waren groß, kastanienbraun und blickten so seelenvoll, dass es sofort um Hanna geschehen war. Sie ging in die Hocke, ließ Babur schnuppern und strich ihm dann über den Kopf. «Magst du mit uns kommen, Babur? Ich sag’s dir aber gleich: Wir sind arm, und satt wirst du bei uns nur, wenn du dir Mäuse und Maulwürfe fängst.» Sie schaute hoch und sah endlich wieder in zufriedene Gesichter: «Sein Fell ist fürs Kraulen wie geschaffen. Weich und warm, herrlich.»
    «Dann ist doch alles gut.» Claus Schnitzer hatte natürlich das letzte Wort. In Windeseile legte er Babur ein Lederhalsband um und drückte Hanna das andere Ende der Leine in die Hand. «Viel Glück. Sag der Marie, sie darf kommen. Ein Jahr lang. Jeden Sonntag.»
    «Auch von uns viel Glück, Hanna.»
    Die Leitgeb-Zwillinge nickten ihr grinsend zu und zogen Valentin mit sich. Er rief ihr zu, er werde sie besuchen, doch da fiel auch schon die Tür ins Schloss. Hanna fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Auch wenn ichnein gesagt hätte, es wäre ihnen egal gewesen, dachte sie empört. Sie haben mich einfach übertölpelt.
    «Ihr seid alle gleich», murmelte sie. «Habt mich nur abfüllen wollen, um den Hund loszuwerden!»
    Tränen der Wut stiegen in ihr hoch.
    Babur aber hechelte und strahlte. Er zog an der Leine, drehte sich nach ihr um. Komm, lachten seine Augen, vergiss sie. Was sind sie gegen mich?
    Nichts. Menschen eben. Leute.

8
    «Weißt du, erst mal frühstücken wir. Brot und Grütze, aber einen Happen Speck teilen wir uns auch. Dann besuchen wir Papas Grab und beten für ihn. Du bleibst sitzen und hörst zu. Wenn ich laut Amen gesprochen hab, kannst du aufstehen. Dann spielen wir. Gegen Mittag gibt es Hannas Suppe. Dazu musst du dir aber eine Maus fangen, sonst wirst du nämlich nicht satt, verstehst du? Hinterher machen wir ein Nickerchen, dann helfe ich Hanna oder Arndt bei den Meilern. In der Zeit hast du frei und kannst pupsen, so viel du willst. Wenn ich dich aber rufe, weil ich gucken will, ob nicht doch ein paar Pilze gewachsen sind, kommst du sofort, verstanden?»
    Hanna musste sich auf die Finger beißen, um nicht laut loszulachen, so süß fand sie es, Maries gepresstem Flüstern zu lauschen. Sie sah ihre kleine Schwester mit erhobenem Zeigefinger vor Babur knien, als würde sie ihm eine Strafpredigt halten. Babur hockte hechelnd vor ihr, sein Hundegesicht war ein einziges Lachen. Schon zuckte sein Schweif, und ehe Marie es sich versah, hatte er ihr einmal übers Kinn geleckt.
    «Das darfst du nicht. Wenn ich jetzt gekiekst hätte? Dann wäre Hanna wach geworden.»
    Sie umarmte Babur, der ihr noch einmal hingebungsvoll die Wange schleckte. Hanna schloss schnell die Augen und kuschelte sich ein letztes Mal in ihre Decke. Längst hätte sie aufstehen müssen. Wer aber tat das schon gerne bei dieser feuchten Kälte? Eisige Luft zog durch die zertrümmerte offene Giebelseite, auf der Feuerstelle schillerten dicke Tautropfen.
    Gähnend warf sie schließlich die Decke zurück: «Na ihr beiden? Jetzt hätte ich auch gerne ein Fell.»
    Sie stand auf, tat ein paar tiefe Atemzüge. Dann eilte sie hinter die Hütte zum Waschzuber, einer ganz gewöhnlichen Viehtränke. Weil es geregnet hatte, war sie jetzt endlich wieder voll – welch kleines Fest.
    Hanna riss sich das Nachthemd vom Leib und verrieb einen Brei aus abgekochten Seifenkrautwurzeln auf ihrem Körper. Wenn sie sich nicht wenigstens alle drei Tage einmal gründlich wusch, fühlte sie sich nicht wohl. Allein deswegen verspottete ihr Bruder sie gerne als Madonna vom Wald. Andererseits war er wegen dieser Reinlichkeit auch stolz auf sie. Wieder musste sie an seinen Spruch denken: Eine Frau, die duftet, ist des

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