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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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hatte an Armen und Beinen Gänsehaut. Fassungslos starrten die Brüder Goltz sie an, Arndt stand wie versteinert da. Es war still, für einen Moment schien die Zeit stehenzubleiben.
    «Teufel auch!», platzte Arndt heraus. «Was ist nun schon wieder? Immer diese Unsinnssprüche! Wirst du endlich still sein.» Sein Kopf war hochrot. Er packte Hanna an den Schultern und schob sie auf die Hütte zu. «Machst dich zur Hexe», zischte er ihr ins Ohr, als sie außer Hörweite waren. «Willst du auf den Scheiterhaufen?» Er legte den Arm um sie, zog sie an sich. «Hanna, vorhin   … Es tut mir leid. Da hab ich einfach rot gesehen. Nun lassgut sein. So etwas darfst du nie wieder tun, hörst du? Nie wieder.»
    «He, Völz. Warte!»
    Arndt zuckte zusammen, zog den Kopf zwischen die Schultern. Sein Herz schlug hart und schnell. Doch jetzt durfte er auf keinen Fall schwach werden. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich, und seine Gedanken überschlugen sich. Tisch ihnen eine Geschichte auf. Irgendwas. Sie dürfen auf keinen Fall glauben   …
    Er blieb stehen, drehte sich um und machte eine wegwerfende Handbewegung: «Gebt nichts drauf!», rief er so unbekümmert wie möglich. «Das hat sie manchmal, wenn es ihr geht, wie das eben so bei den Frauen ist. Da sind sie doch alle wunderlich im Kopf. Vertraut mir. Bei meiner Ehre als Köhler.»
    Hanna schüttelte unmerklich den Kopf, obwohl sie sich noch immer die Ohren zuhielt. Die Geräusche, die sie vernommen hatte, waren längst verstummt, aber sie wollte einfach nichts mehr hören. Vor allem nichts von Jobst Gessler, dem Eigentümer der Herrenmühle. Er war aus demselben Holz geschnitzt wie die Goltz-Brüder, mit dem Unterschied, dass er wirklich Geld hatte. Es hieß, er habe seinen letzten Geburtstag mit einem Trinkgelage gefeiert und dazu Huren eingeladen. Und auch wenn Arndt behauptete, das seien Verleumdungen: Was fand der Müller an ihr? Er konnte doch viel bessere Frauen haben als sie.
    Weil er eine völlig Wehrlose haben will, sagte Hanna sich. Es gibt solche Männer.
    Arndt riss ihr die Hände herunter. «Hanna, versteh doch», bettelte er. «Der Gessler ist deine und unsere Rettung. Er nimmt sogar Marie bei sich auf. Was willst du mehr?»
    «Nein, er ist ein Hurenbock, Arndt. Er kauft sich Menschen.Niemals werde ich seine Frau. Lieber lass ich mich totschlagen.»

7
    Sie kniete in der Heilig-Kreuz-Kirche im nahen Neusitz neben einem die Empore tragenden Pfeiler und versuchte, der Messe zu folgen. Doch sie war nicht bei der Sache, ihr Kopf war voll. Zum einen quälte sie die entsetzliche Vorstellung, bald Jobst Gessler gegenübertreten zu müssen, zum anderen lockte die Versuchung, im Rothenburger Deutschordenshaus nach Maries Retter zu fragen.
    Ich werde dem Komtur dort sagen, ich hätte ein Geschenk für   … für ihn. Eine Bastelarbeit   … von Marie. Bestimmt wird der Komtur mir dann verraten, wer er ist und wie er heißt.
    Hanna lächelte und war so mit sich beschäftigt, dass sie sich erst erhob, als die anderen schon standen. Und als sie in den Antwortgesang der Gemeinde einstimmen sollte, hatte sie völlig vergessen, was sie überhaupt singen sollte. Erst als Pfarrer Hans Stöcklein den Namen ihres Vaters verlas, den Gott heimgerufen habe, merkte sie auf, dies aber so heftig, dass ihr ein spitzer Schrei entfuhr.
    Hastig bekreuzigte sie sich und faltete schuldbewusst die Hände. Ihre Banknachbarin streichelte ihr beruhigend den Arm und flüsterte: «Ich kenne das, Hanna Völz. Vertrau auf den Herrn. Er wird alles richten.»
    «Danke.»
    Hanna rang sich ein Lächeln ab. Imke, die Frau neben ihr, war die Witwe eines Lumpensammlers und einst genauso arm gewesen wie sie. Letztes Jahr jedoch hatte der Neusitzer Hufschmied ihr erklärt, er habe sich in ihrenwiegenden Gang verguckt. Ob sie ihn heiraten wolle? Natürlich wollte Imke. Schließlich hatte sie zwei Kinder zu ernähren, und der Hufschmied suchte für seine drei eigenen eine neue Mutter. Jetzt war Imke schwanger und freute sich das erste Mal in ihrem Leben wirklich auf ein Kind.
    «Erhebt euch, auf dass wir gemeinsam beten.»
    Weil Pfarrer Stöcklein große Sympathien für die Lutherischen hatte, ließ er alle Gebete deutsch sprechen. Hanna hatte sogar gehört, dass gewettet wurde, ob er die Messfeiern ab Advent in deutscher Sprache begehen würde. Die Mehrheit der Neusitzer war dafür. Auch Hanna wünschte sich, Gottes Wort wirklich verstehen zu können. Denn eigentlich verdammte der lateinische Messritus

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