Das Gesicht des Teufels
Komm, sei nicht so genant.»
Hanna wurde es bei so viel Warmherzigkeit geradezu unheimlich. Unsicher blickte sie von einem zum anderen, sah aber nur leutselige Mienen.
Und das alles wegen eines Hundes?, fragte sie sich. Nein, da muss mehr dahinterstecken. Vor Verlegenheit wusste sie kaum, wo sie hinschauen sollte. Claus Schnitzer aber, Valentins Vater, wies auf einen Stuhl und bat sie, sich zu setzen. «Bring Wein und Becher», trug er seiner Frau auf und rieb sich erwartungsfroh die Hände. Auch gut, er wird deswegen nicht arm werden, dachte Hanna und entspannte sich ein wenig. Für Claus Schnitzer war der karge Mesner-Lohn, den der Pfarrer ihm zahlte, nur ein Zubrot. Im Hauptberuf war er Wagner und Rechenmacher, und ein guter dazu, seine Käufer saßen daher nicht nur in den Dörfern der Landhege, sondern auch in Rothenburg.
«Also, Hanna, trinken wir zuerst auf deinen Vater», sagteClaus Schnitzer. «Er war der rechtschaffenste Köhler in der Landhege, dein Bruder wird ihm da bestimmt folgen.» Sie hoben die Becher und stießen an. Hanna nahm einen großen Schluck. So was Gutes bekomme ich so bald nicht wieder, dachte sie. Schade, dass man Wein nicht hamstern kann. «Und jetzt auf dich und deine Zukunft!» Wieder hoben alle den Becher, tranken. Hanna stimmte in das allgemeine wohlige Seufzen ein, denn Claus Schnitzers Wein war wirklich gut – keiner von diesen wässrigen Strümpfestopfern, wie sie in den Schänken auf den Tisch kamen.
Den dritten Schluck rollte Hanna im Mund, presste ihn an den Gaumen und versuchte, sich den Geschmack einzuprägen. Wie köstlich, dachte sie, während Valentin den Leitgeb-Zwillingen bereits nachschenken musste. Ob sie sich vorstellen können, wie das ist, wenn man tagaus, tagein nur Wasser und Dünnbier zu trinken hat? Sie leckte sich verstohlen die Lippen, lächelte.
«Das mit der Zukunft habt Ihr schön gesagt, Herr Schnitzer, aber was hat unsereins schon für eine Zukunft? Arg farbig wird sie nicht werden.»
«Na, das sehen wir aber anders, liebe Hanna!», rief Valentin. «Wo du doch bald dem Herren-Müller die Hand reichst, der vor ein paar Monaten ein schönes Erbe gekriegt hat!»
«Nie heirate ich den!», rief Hanna. «Wer sagt denn so etwas?»
«Na, dein Bruder.»
«Dieser Schuft! Was maßt er sich an!»
Hanna sprang auf, gleichzeitig erschrak sie, weil sie viel heftiger klang, als ihr lieb war. Der Wein ist schuld, dachte sie bestürzt. Sie wünschte sich durch eine der breiten Dielenspalten davonmachen zu können, einfach ins Dunkle abzutauchen, so wie der Ohrenkneifer, den sie gerade entdeckt hatte.
In der Tat war es still geworden. Fünf Augenpaare waren auf sie gerichtet und starrten sie irritiert an.
«Na dann … es geht uns ja auch nichts an. Und eigentlich wollten wir auch nach Babur schauen», meinte Valentin, der sich als Erster wieder gefasst hatte. «Aber gefreut haben wir uns für dich, ehrlich. Schon allein, weil …»
Er brach ab, weil die Leitgeb-Zwillinge den Kopf schüttelten und ihn missbilligend anschauten. Valentins Eltern kniffen die Lippen zusammen. Offensichtlich gefiel ihnen nicht, worauf Valentin anspielte.
Die Stimmung kippte, alle Wärme verflog. Wie auf einen stummen Wink hin verließen nun alle, bis auf Valentin, die Stube. Der Letzte war Claus Schnitzer, er drehte sich noch einmal auf der Schwelle zu Hanna um und brummte: «Ach je, wie man’s macht, ist’s falsch.»
Er klingt, als würde ein Bauer den Preis für seine Heurechen drücken wollen, dachte Hanna verärgert. Sie wandte ihren Blick von ihm ab, schaute halb trotzig, halb verzagt auf ihre Schuhspitzen. Die Tür schloss sich hinter ihm, und sie war mit Valentin allein.
«Hanna, ich hab gelogen», sagte Valentin nun mit belegter Stimme. «Jetzt erst kann ich mich freuen.» Er sah ihr tief in die Augen und wartete, bis er sicher war, dass sie ihn verstand. «Mit anderen Worten: Dein Stand ist mir egal, verstehst du? Ich schau nicht aufs Geld.»
Hanna hatte das Gefühl, ihr würde jemand abwechselnd heißes und kaltes Wasser über den Rücken gießen. Sie errötete und bekam augenblicklich ein schlechtes Gewissen. Er kann nichts dafür, dass er ein Gesicht wie ein Schaf hat, dachte sie, und dann seine Ohren … Er ist … ein lieber Junge, aber kein Mann.
«Danke, Valentin. Du bist zu gut zu mir, dein Vertrauen ist eine riesengroße Ehre. Aber jetzt lass mich Babur sehen.»
Sie stürmte aus der Stube und durch den Flur in den gepflasterten und von einem
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