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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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schaute sich Ulrichs Diener um. Er riss die Arme hoch, als würde Babur ihn anspringen, doch der drehte kurz vor ihm um und lief zurück.
    «Kein guter Hund ist das, Marie!», rief Gustav gereizt.
    «Ist er doch. Was tut Ihr denn hier?»
    «Frech bist du auch noch!» Gustav, der sich, soweit es ihm möglich war, aufgerichtet hatte, fiel wieder in seine krumme Haltung zurück. Er war frisch rasiert, das grauweiße Haar borstenkurz gestutzt. «Dein Ziehvater sollte dir den Hintern versohlen», fuhr er übellaunig fort. «Leider hört er nicht mehr auf mich. Aber das ist nicht meine Schuld und alles nur, weil deine Schwester   …»
    Die letzten Worte waren nur gemurmelt, Marie aber hatte sehr wohl begriffen, auf was Gustav hinauswollte.
    «Meine Schwester hat nichts damit zu tun», sagte sie böse. «Lasst sie bloß in Frieden.»
    «Sonst?»
    Gustav breitete die Arme aus und rief: «Kommt, schaut sie euch an: Das hier ist die Kleine von der Völz. Fragt sie doch einmal, ob ihre Schwester wieder Teufelsgesichte gehabt hat!»
    Marie erschrak. Hilfesuchend schaute sie sich nach Lienhart und den anderen beiden Jungen um. Babur begann zu knurren, denn schon liefen die ersten Menschen herbei. Ob es wahr sei, riefen sie Gustav zu, der eifrig winkte. Lienhart hielt Babur am Halsband, Martin und Thomas stellten sich schützend vor Marie. Gustav rief noch einmal, es gäbe Neues von der Seherin, der Hexe, der wundersamen Seherin vom Wachsenberg. Türen und Fenster gingen auf, von allen Seiten liefen die Menschen zusammen. Marie klopfte das Herz bis zum Hals, plötzlichfühlte sie sich in der dämmrigen Gasse wie eine Gefangene.
    Lienhart konnte Babur kaum mehr halten, so wütend knurrte er die Menge an. Marie ging neben ihm in die Hocke und redete beruhigend auf ihn ein.
    «Kleine, sag ihm, wir tun euch nichts! Aber hast du Neuigkeiten? Du kannst sie uns ruhig erzählen.»
    Marie starrte in das Gesicht eines hohlwangigen stoppelbärtigen Schreiners, an dessen verschwitzter Stirn Sägemehl klebte.
    «Sie muss uns was erzählen!», rief eine Frau aufgebracht. «Der Hans Goltz hat mir berichtet, wie die Völz die Brandseuche prophezeit hat. Und ich selbst war dabei, als sie im Winter die Plünderung der Kobolzeller Kirche voraussagte.»
    «Richtig. Siehst du, Kleine? Was weißt du? Ist deine Schwester gut oder böse? Du kennst doch auch die Geschichte von ihrem Gottesurteil, da soll sie gesagt haben, dass Landsknechte kommen würden und Blut fließen wird. Und jetzt? Wir haben doch nur Gerüchte   … was waren genau ihre letzten Worte?» Der Mann packte Marie an der Schulter, schüttelte sie. «Los, mach doch endlich den Mund auf. Du musst doch etwas wissen. Oder ist deine Schwester etwa eine Hexe? Die uns allen nur Angst machen will?»
    «Ich habe immer Angst vor ihr gehabt», rief Gustav dazwischen, der immer noch Leute heranwinkte. «So wie sie spricht und auftritt   … das tut doch keine, die nur Köhlerin ist. Ist sie dafür nicht viel zu schön? Ich erlebe es jeden Tag: Meinen guten Herren hat sie mir abspenstig gemacht. Den Verstand hat sie ihm aus den Lenden geritten. Von Tag zu Tag wird er schwächer.»
    Marie traten Tränen der Wut in die Augen, so hilflos fühlte sie sich. Wie konnte Gustav so etwas Böses erzählen?Was hatte Hanna ihm denn getan? Natürlich kannte sie ihre Gesichte, aber Hanna hatte vor ihr nie ein Aufhebens davon gemacht.
    Sie hatte das Gefühl, die Menschen würden sich am liebsten auf sie stürzen, um sie dann so lange zu schütteln, bis Worte und Sätze aus ihr heraussprangen wie Flöhe aus einem Sack.
    «Himmel, jetzt sei doch nicht so verstockt!»
    «Eben. Oder bist du dumm?»
    «Spann uns nicht auf die Folter.»
    «Oder hat sie dich auch schon verhext? Weil du den Mund nicht aufkriegst?»
    Noch viel mehr Fragen schwirrten durch die Luft. Marie hielt sich die Ohren zu und schlang ihre Arme um Baburs Hals. Doch dann blickte sie auf und rief: «Nein, nein, nein! Meine Schwester ist gut! Das sagt doch sogar der Hegemeister, der sie damals ins Spital bringen ließ.» Sie vergrub ihr Gesicht in Baburs Fell. Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Himmel, ich muss noch mehr sagen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie glauben mir nicht. Aber ich kann nicht zulassen, dass sie sagen, Hanna sei eine Hexe.
    Marie hob ihren Kopf und rief laut: «Damit ihr es wisst: Meine Schwester ist keine Hexe! Wie hätte sie es sonst bei den Dominikanerinnen aushalten können? Fragt doch dort die Priorin. Hanna ist

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