Das Gesicht des Teufels
eingeschlossen hätten: «Die meisten von ihnen hat der Fürstbischof nach Hause ziehen lassen, aber für ihre Anführer und Würzburger Gesinnungsgenossen gibt es keine Gnade.»
«Das ist jetzt ein Aufruf zur Flucht, Vogt!» Jacob Aufreiter runzelte die Stirn, andere Patrizier machten ebenfalls ein verdrossenes Gesicht. «Wozu jetzt all die elenden Umstürzler noch warnen?»
«Keine Bange, Stadtrichter. Wer Ehre hat, bleibt – meine Wenigkeit zum Beispiel. Seneca sagt: Sich auf den Tod vorzubereiten heißt, sich auf die Freiheit vorzubereiten.» Stephan von Menzingen reckte das Kinn vor, Komtur Christian applaudierte sacht.
«Nicht nur Ihr, Stephan von Menzingen, habt ein Leben zu verlieren. Viele andere auch.» Ulrich hatte sich von seinem Platz erhoben und bedachte den Rothenburger Bauernhauptmann mit einem anklagenden Blick. «Für einen Ritter ist es ehrenvoll, dem möglichen Tod unerschrocken ins Angesicht zu schauen, aber nur die wenigsten sind Ritter. Die meisten haben sich den Haufen angeschlossen, weil sie keine andere Wahl mehr hatten, teils wurden sie gezwungen. Ihnen aber droht Schlimmeres als nur das Schwert.»
«Soll also jeder für sich entscheiden, ob und wo er bleibt.»
Stephan von Menzingen würdigte Ulrich keines Blicks. Stattdessen schaute er zu seinen Getreuen: dem Komtur Christian, dem blinden Mönch Hans Schmidt, Ratsprediger Teuschlin, Bürgermeister Kumpf, Doktor ABC Andreas Bodenstein aus Carlstadt, dem Schwarzenbronner Haufenführer Lienhart Groß und dem Gymnasialrektor Magister Wilhelm Besenmeyer.
Alle nickten stumm, als wollten sie sagen: Und wenn der Teufel persönlich uns holen wollte – wir bleiben.
Der Vogt räusperte sich: «Ich glaube, damit ist alles gesagt. Wer Ohren hat, der höre, schrieb unser Evangelist Matthäus. So wollen auch wir es halten und die, die berechtigte Ängste hegen.»
Ulrich nickte ihm zu. Der Vogt lächelte schwach, dann verdüsterte sich sein Gesicht wieder. Ihr habt offen genug gesprochen, Vogt, dachte Ulrich. Im Gegensatz zu Männern vom Schlage des Stadtrichters steht Euch nicht der Sinn nach Rache. Aber ob Ihr noch mehr wisst?
Der Vogt bohrte seinen Blick in den Ulrichs. Langsam nickte er.
Dann ist es wahr, durchfuhr es Ulrich. Es wird auch in Rothenburg eine Strafaktion Markgraf Kasimirs geben.Lieber Gott, lass doch einmal Gnade vor Recht ergehen. Nur einmal.
«Ritter von Detwang?»
Jacob Aufrichter klang aufmüpfig. Seine eisgrauen Augen blitzten, ein bösartiges Lächeln spielte um seinen Mund.
«Ihr wollt wirklich mich sprechen?»
Der Stadtrichter nickte. Verschwörerisch nahm er Ulrich beiseite und raunte ihm ins Ohr: «Ich wollte Euch nur sagen, Ritter, ich glaube, ich hab jetzt genug … genug gegen sie … Versteht Ihr?»
Nachdem Marie berichtet hatte, in wessen Haus Gustav getreten war, machte Hanna sich auf das Schlimmste gefasst. Erst einmal aber schickte sie Marie aus dem Zimmer, als sie Ulrich in den Hof reiten hörte. «Lass mich jetzt mit ihm allein, Liebes, ja? Ich muss ihn trösten, verstehst du? Ulrich wird große Angst um mich haben. Und ohnmächtig fühlt er sich bestimmt auch.»
«Aber er ist doch ein Ritter, Hanna …»
Mit Tränen in den Augen drehte Marie sich noch einmal nach ihr um. Hanna lächelte ihr aufmunternd zu, aber sie musste alle Kraft aufbieten, sich ihre Rührung nicht anmerken zu lassen: Du bist so tapfer, kleine Schwester. Und so klug. Ich wollte, wir könnten endlich wieder zusammen lachen.
Da schallte schon Ulrichs verärgerte Stimme durchs Haus: «Gustav! Wo zum Henker treibst du dich herum? Soll ich mir die Stiefel jetzt allein ausziehen?»
«Geh jetzt», hauchte Hanna.
Marie schloss die Tür und huschte den Flur entlang. Auf der Treppe wäre sie beinah gegen Ulrich geprallt. Er hielt sie fest. «Marie! Kind … was ist? Weinst du?»
«Nein, das war nur der Staub …»
Sie riss sich los und hastete die Stufen hinab.
«Katharina!»
Ulrich entging nicht, wie erstickt Marie klang. Er hörte noch, wie seine Mutter die Stubentür öffnete und sich Marie aufschluchzend in ihre Arme warf.
Dann war es still.
Sein Herz krampfte sich zusammen. Ich werde einen Weg finden, dachte er. Und wenn nicht, mach ich’s mit Gewalt.
Hanna hatte sich derweil schnell einen lockeren dicken Zopf geflochten und ihre Lippen mit etwas Rot aufgefrischt. Sie stand am Fenster, als Ulrich eintrat. Das weiße schürzenlose Baumwollkleid, das ihre Figur vorteilhaft zur Geltung brachte, schien zu
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