Das Gesicht des Teufels
er uns neues Holz. Das ist versprochen. Er hat gesagt: Marie soll schließlich nicht frieren. Dann ist er wieder losgeritten. Aber das Allerneueste ist: Er trägt keinen Bart mehr.»
«Warum denn … aber ist ja auch egal. Hat er denn nach mir gefragt?»
«Schon.» Marie schaute auf ihre Fußspitzen und kniff sich in den Arm. Es muss wehtun, sagte sie sich im Stillen. Sonst plaudere ich alles aus. Nachher gibt’s dann nichts Schönes mehr zu erzählen. Gleichgültig fuhr sie fort: «Wo ist nun die Hanna, hat er gefragt. Aber du warst ja nicht da.» Marie legte eine effektvolle Pause ein, wandte den Kopf und schaute Hanna gerade ins Gesicht. «Trotzdem soll ich dich grüßen.»
«Das ist, das ist …», stammelte sie, bevor sie zurücksank. Einerseits war sie ein wenig enttäuscht, trotzdem aber irgendwie auch glücklich. Es zeigt, dass er uns nicht vergessen hat, dachte sie. Allein, dass er das Holz zahlt … ich hab es ja gleich gespürt, er ist ein wahrer Ritter. Plötzlich aber durchfuhr sie siedend heiß der Schreck: «Marie, weiß Ritter von Detwang denn, dass ich mit dem Müller mitgegangen bin?»
«Na ja, Arndt hat ihm erzählt …»
«Nein! Sag, dass das nicht wahr ist!»
Hanna schlug die Hände vors Gesicht und seufzte unglücklich. Marie schaute betreten zur Seite. Jetzt hab ich einen Fehler gemacht, dachte sie. Aber wie viel soll ich heute denn noch lügen?
«Ich hab dir nicht alles erzählt, Hanna», begann Marie mit fester Stimme. «Als Ulrich fortgeritten ist, bin ich ihm nachgelaufen und hab ihm hinterhergerufen, dass du den Müller genauso verabscheust wie Katzen das Wasser.»
Das ist zwar auch wieder halb gelogen, dachte sie, dafür aber hab ich mein Versprechen Ulrich gegenüber gehalten. Marie war sehr zufrieden mit sich. Und sie hatte sich auch nicht getäuscht: Hanna strahlte bereits wieder.
«Diese Aufregung ist groß genug, dass ich darüber meine Kopfschmerzen fast vergessen habe», murmelte sie, erhob sich und sah aus dem Fenster. «Jetzt müssen wir zusehen, dass wir hier herauskommen.» Sie betastete ihre Beule am Hinterkopf und verzog das Gesicht. «Am besten, wir rufen einfach nach Hilfe. Da unten sehe ich gerade den Hannes, das ist der Knecht.» Sie riss das Fenster auf und beugte sich hinaus. «Hannes! Hast du denn kein Erbarmen? Lass uns raus und nach Hause gehen, bitte!»
«Warte, lass mich mal!»
Marie drängte sich an Hannas Seite: «Hannes, ich hab vorhin alles gesehen und gehört! Dass der Aufreitereuch für Aufrührer hält und ihr heimlich Korn verladen habt.»
Hannes blickte erschrocken zu ihnen hoch. «Ich hab nichts damit zu tun. Aber als Knecht muss ich gehorchen.»
«Hannes», rief jetzt Hanna, «wir sagen nichts. Wir sind doch auch nur kleine Leute. Schließ auf!»
Der alte Knecht kämpfte mit sich, schließlich eilte er davon. Nach einer Weile kam er die Treppe hoch. «Ich muss erst alle Schlüssel ausprobieren», sagte er hinter der Tür. «Einer passt, das weiß ich.» Hanna und Marie entging nicht, wie aufgeregt Hannes im Türschloss herumstocherte. Doch kein Schlüssel wollte passen. Der alte Knecht wollte schon verzweifeln, da endlich hatte er den richtigen Schlüssel gefunden. Die Kunst bei dieser Tür sei, den Schlüssel nicht zu tief ins Schloss zu stecken, entschuldigte er sich. Aber in seinem Alter habe er vom vielen Säckeschleppen einfach kein richtiges Gefühl mehr in der Hand.
«Wo ist der Müller denn jetzt hin?»
Hannes kratzte sich das Ohr. «Eigentlich ist er da, auf der Koppel. Aber ich nehm’s auf meine Kappe.»
«Das vergessen wir dir nie, Hannes», rief Hanna, nahm Marie an die Hand und zog sie mit sich.
So schnell sie konnten, nahmen sie die Stufen und stürmten aus der Mühle ins Freie. Geblendet vom Licht riss Hanna die Hand vor die Augen, verlor in der Aufregung für einen Augenblick die Orientierung und wusste nicht mehr, ob sie sich nach rechts oder links wenden mussten. Leider war von Babur weit und breit nichts zu sehen – dafür aber von Jobst Gessler. Er öffnete gerade das Gattertor der Pferdekoppel, die sich neben der Mühle am Ufer der Tauber entlangzog, um einen tänzelnden und schnaubenden Braunen auf den Hof zu führen.
Als er Hanna und Marie sah, fluchte er laut. Doch da tauchte wie aus dem Nichts Babur auf. Die Ohren angelegt, die Lefzen hochgezogen, raste er knurrend auf den Müller zu. Jobst Gessler zerrte den Braunen zurück und verriegelte schnell das Gattertor. Er gab dem Pferd einen Klaps,
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