Das Gesicht des Teufels
woher sie das Geld hatte. Kaum hatte sie geendet, als ihr eine der Münzen zu Boden fiel. Hanna hob sie auf und schaute hinter sich, weil etwas laut klingelte.
Ein alter Mann humpelte den Kobolzeller Steig hoch. Langsamen Schrittes folgte ihm eine rundliche Frau um die vierzig. Sie trug ein schlichtes graues Wollkleid, der Alte dagegen einen mit Schaffell gefütterten Mantel, an dem winzige Glöckchen baumelten. Um seinen dünnen Hals hingen ein roter und ein grüner Schal, und auf dem Kopf trug er eine Lederkappe mit Fuchsschwanz.
«Da klimpert die Münz … gib schon her. Das ist meine.»
Bevor Marie etwas sagen konnte, kam ihr Hanna zuvor. «Das könnte Euch so passen.»
Der Alte hob spöttisch die Augenbrauen. «Morgenstund hat Gold im Mund. Habt Ihr Angst, ich könnt Euch zu nahe treten?» Er kicherte, kniff die Augen zusammen und musterte sie aufdringlich.
«Was schwatzt du da wieder für Unfug, Onkel! Sei froh, wenn du den Steig hier hoch schaffst!» Die rundliche Frau lächelte Hanna zu und stupste dem Alten in die Seite. «Komm weiter und lass die beiden in Ruh. Machst dich ja zum Narren.»
Der Alte klapste ihr auf den Hintern, worauf sie herumfuhr und ihm die Mütze vom Kopf fegte. Er bückte sich schimpfend, doch sie kam ihm zuvor, schnappte ihm die Mütze vor der Nase weg und warf sie hoch in die Luft. «Dann zeig mal, wie gut du noch springen kannst!» Sie fing die Mütze auf und warf sie Hanna mit einem auffordernden Blitzen in den Augen zu. Hanna blieb nichts anderes übrig, als das Spiel mitzumachen, und warf die Mütze über den Kopf des Alten hinweg wieder der Frau zu. Die Frau klatschte in die Hände, fing sie auf und setzte sie dem Alten wieder auf den kahlen Kopf.
«Du isst zu viel Lauch! Deshalb geht’s dir so, Onkel.»
«Ach, halt deinen Mund.»
Mürrisch humpelte der Alte weiter. Seine Nichte ließsich ein Stück zurückfallen und streckte ihm die Zunge heraus. «Weil sie furzen können, glauben sie, sie könnten auch noch was anderes.»
Sie ging weiter, winkte.
Hanna und Marie sahen ihr nach.
«Warten wir, bis sie oben sind», sagte Hanna.
«Was hat die Frau eigentlich gemeint?»
«Nur, dass die Männer im Alter wunderlich werden.»
«Ist das alles?»
«Würde ich dich anschwindeln?»
Marie ging ein Stück den Steig voraus, Hanna sah ihr lächelnd nach. Plötzlich stieß ihr etwas Hartes ins Kreuz. Erschrocken drehte sie sich um.
«’tschuldigung, war nicht so gemeint.» Der halbwüchsige und zerlumpte Junge, der einen unpraktischen Schiebekarren mit einem Käfig voller Kaninchen den Steig hochschob, lächelte Hanna an. «Mein Vater und die anderen kommen auch noch.» Selbstbewusst straffte er sich und zeigte hinter sich. Hanna erblickte eine Schar Bauern und Tagelöhner, die am Fuß des Kobolzeller Steigs Forken und Dreschflegel in die Luft stießen. «Sie haben sich an der Steinmühle versammelt. Alle wollen wir rechtschaffen in der Landhege leben, aber nun sagen wir: Das Maß ist voll.»
«Ihr wollt vor den Rat?»
«Ja, zu Bürgermeister Kumpf. Der wird uns hören. Andere, wie mein Vater, gehen zum Komtur Christian von den Deutschherren. Beide bekommen eine Bittschrift: dass wir nicht länger durch immer neue und höhere Zinslasten ausgepresst werden wollen. Kommt ihr auch mit?»
«Eigentlich wollten wir ein paar Würste kaufen …»
«Habt ihr’s gut!»
«Na, ärmer als Köhlersleut, wie wir es sind, seid ihr doch auch nicht.»
Sie waren inzwischen langsam weitergezogen. DieSchar der Bauern, die vom Fluss kam, hatte indes aufgeholt. Doch nicht nur hinter ihnen rüsteten sich die Unzufriedenen. Ein paar Pferdelängen vor dem Kobolzeller Tor erschallte plötzlich das Gejohle einer Schar Weinhäcker. Gleich darauf wurde lauthals das Lied angestimmt, das Hanna schon von Hannes gehört hatte.
Wir sind die armen Haufen und wolln mit Pfaff und Adel raufen. Heija oho. Spieß voran, rauf und dran! Los, aufs Ziegeldach den roten Hahn. Heija oho, heija oho.
«Genau, Spieß voran. Machen wir mit!», rief der Junge und stieß Hanna freundschaftlich den Ellenbogen in die Seite. Lauthals grölte er mit. Er winkte den Weinhäckern zu, die gegen die Torwächter vom Kobolzeller Tor ansangen.
Die Stimmung lud sich immer mehr auf, je länger die Torwächter ihnen den Einlass verwehrten. Nur ohne Hacken und Rebmesser dürften sie ab jetzt in die Stadt, riefen sie, die Häcker dagegen schrien, so ein Verbot hätten sie noch nie gehört. Hanna nahm Babur vorsichtshalber am
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