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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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ich nicht für dich bereit bin. Ich weiß, dass ich dir damit wehtue, und ich weiß auch, welch kostbare Seele du in dir trägst. Aber ich bin noch nicht reif dafür, mich an einen Mann zu verschenken. Bitte sei nicht böse. Ich danke dir von ganzem Herzen für deine Aufmerksamkeit. Aber nach allem, was vorgefallen ist   … ich kann einfach nicht.»
    «Das klang aber gerade ganz anders, Hanna. Sei’s drum. Du wirst schon sehen, was du davon hast. Leb wohl. Ich werde Arndt von dir grüßen.»
    Valentin ging, ohne sich von Bernward oder dem Spitalkaplan zu verabschieden. Der Spitalkaplan schaute betreten zu Boden, Hegemeister Bernward aber hatte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen können. «Du hast deinen Kopf, Hanna Völz», sagte er anerkennend. «Deine Gesichte freilich werden zum Stadtgespräch. Der Stadtrichter weiß auch schon von ihnen. Deswegen sollst du fürs Erste hier bleiben. Zu deinem Schutz.»
    «So ist es, Hanna.» Spitalkaplan Ott strich über die Bettdecke und schnippte einen Brotkrümel fort. «Gestern jedoch, während der Bader dich zur Ader gelassen hat: Nicht wahr, da hattest du ein Gesicht oder standest kurz davor?»
    Er bohrte seinen Blick in den ihren. Seine Stirn glänzte, sein Mund zitterte. Hanna erschrak, ihre Gedanken überschlugen sich. Er möchte am liebsten hören, ich hätte eine Vision gehabt, dachte sie. Seine Augen sind wie die eines Fiebernden! Er würde alles darum geben   … sogar seinen Verstand.
    «Nein, es sind nur fromme Bilder gewesen. Der Aderlass tat so weh   … Ich fühlte mich wie bei einem Martyrium. All das Blut   … da konnte ich nicht anders. Ich suchte Zufluchtzur Heilig-Blut-Reliquie. So wie es all die Jacobspilger tun, die unsere Stadt besuchen.»
    Hanna schaute Bernward an, während sie sprach. Fast schien es ihr, als nicke er ihr zu. Sein ruhiger und teilnehmender Blick half ihr, nicht unsicher zu klingen.
    Der Blick des Spitalkaplans dagegen wurde flackernd.
    «Kein Gesicht?», stieß er hervor. «Es war kein Gesicht?»
    «Nein.»
    Er will mir nicht glauben, dachte sie. Er ist wahnsinnig.
    «Hanna Völz, wenn die Jungfrau aus dir spricht   …»
    «Kaplan Ott, nein», sagte Bernward. «Sie ist Hanna Völz. Keine Heilige.»
    «Natürlich, keine Heilige.» Spitalkaplan Ott wirkte, als würde er aus einem Traum gerissen. Er nickte, lächelte. «Ich wollte sie prüfen», fuhr er leutselig fort. «Denn wäre es auszudenken?»
    «Das sagt Ihr treffend», antwortete Bernward höflich. «Leider hat der Bader seinen Mund nicht halten können. Und das ist besonders in Tagen wie diesen nicht gut. Die Stimmung ist schlecht. Die Menschen sind wütend auf alles, was mit Obrigkeit zu tun hat. Das Geld wird knapp, jeder weiß, dass bald alles sehr viel teurer wird. Da können wir keinen religiösen Fanatismus brauchen.»
    Kaplan Ott blinzelte. Ein feines Lächeln umspielte seinen Mund. Zum Abschied streichelte er Hanna über die Hand.

13
    Niemand in der Stadt konnte sich erinnern, jemals einen solchen Nebeltag erlebt zu haben. Ulrich hörte Marktbeschicker schimpfen, Kinder dagegen jauchzten, weil es so schön war, Verstecken zu spielen. Als befände sich an jeder Kreuzung Rothenburgs ein Dampfbad, zogen weiße Schwaden durch die Straßen und brachten Pflaster, Fassaden und Dächer zum Glänzen. Geheimnisvolles Knistern wechselte mit den scharrenden Geräuschen schneller oder langsamer Schritte ab, wenn Hufschlag zu hören war, schien er heller als sonst zu klingen, doch schon im nächsten Moment hatte der Nebel Ross und Reiter wieder verschluckt.
    Es war etwas wärmer geworden, aber die Feuchtigkeit hielt die Kälte fest. Wege, die auch im Sommer im Schatten lagen, waren mit einer hauchdünnen Eisschicht überzogen, Pfützen schimmerten stumpf, auf den Leinen über den Gassen hing halb gefroren die Wäsche.
    Es ist eben November, dachte Ulrich. Die Nässe hüllt die Kälte ein und macht alles unwirtlicher, als es schon ist. Man könnte Angst bekommen, dass der Nebel das Feuerholz verdirbt.
    Er schmunzelte über seinen Gedanken und ließ Mahut trotten, wohin dieser wollte. Zuweilen machte er sich den Spaß, in das wabernde Weiß zu greifen, dann wieder blieb er einen Moment versonnen stehen, als müsse er sich erst wieder neu orientieren.
    Scheinbar ohne Ziel ritt er weiter.
    Schließlich bog er vom Trompetergässchen in die Klostergasse ab. Nach einer Weile stockte der Verkehr, weil vor aller Augen ein Bauer zu torkeln begann und zusammenbrach. Er fiel auf die

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