Das Gesicht des Teufels
angeboten worden. Ungläubig schaute sie in das aufmerksame Gesicht, entschied sich dann für die Brühe, etwas Brot und das Dünnbier.
Valentin schreckte aufschnarchend zusammen, rieb sich die Augen. «Himmel, da wollte ich zusehen, wie du aufwachst, nun ist es umgekehrt. Wie geht es dir, Hanna?»
Liebevoll strahlte er sie an, was ihr einen Stich ins Herz versetzte.
«Eigentlich gut, aber im wahrsten Sinn des Wortes wie ausgesaugt. Was weißt du von Marie?»
«Nichts. Ich bin diesem Ritter nicht mehr begegnet.»
«Ich bin so müde», flüsterte sie und rang sich ein Lächeln ab.
Valentin nickte.
Ich lüge ihn nicht an, wenn ich dies vorschiebe, dachte Hanna. Aber ich kann einfach nicht mit ihm sprechen. Er sieht aus, als wolle er mir gleich hier am Bett einen Antrag machen.
Zum Glück gab es erst einmal Frühstück. Zwei Brüder zogen sie hoch und schoben einen Tisch über ihr Bett. Hanna aß schweigend. Das Brot duftete, und die Brühe war die beste, die sie je gegessen hatte. Trotzdem verdarbihr Valentins Gegenwart den Genuss. Er müsste es doch spüren, dachte sie und wurde zusehends zornig. Warum geht er nicht endlich fort!
Die Stimme des Spitalkaplans ließ sie aufblicken. Der Hegemeister war an seiner Seite, beide hatten sie tiefernste Gesichter. Hannas Herz krampfte sich zusammen, sie brachte keinen Bissen mehr herunter.
«Was ist mit meiner Schwester, Hegemeister? Wo ist sie?»
Spitalkaplan Ott hob beschwichtigend die Hände.
«Ich sehe, du hast die Nacht gut überstanden, Hanna Völz. Deine Stimme klingt klar, deine Augen sind blank und groß. Natürlich bist du erschöpft. Aber nach einer Woche wirst du dich stark fühlen wie eine Eiche.»
«Das glaube ich auch, Spitalkaplan. Aber Euer ernstes Gesicht und das des Hegemeisters machen mir Angst. Ich liebe meine Schwester …»
«Sie lebt, ist unverletzt und in guten Händen», beruhigte sie Bernward. «Die Dominikanerinnen kümmern sich um sie.»
«Vergelt’s Euch Gott, Hegemeister, das ist gut. Aber Ihr verschweigt mir etwas. Das spüre ich.»
Voller Angst sah sie von Spitalkaplan Ott zu Bernward, während ein Spitalbruder an das Kopfende des Bettes trat und einmal das Räucherkännchen über ihrem Haupt schwang. Eine Wolke wohlduftenden Weihrauchs umfing sie. Wie Balsam kleidete er ihre Lunge aus und machte sie ein wenig ruhiger.
«Marie trauert um ihren Hund.» Bernward schaute sie aufmerksam und mitfühlend an. «Das … ist nicht ungewöhnlich für ein Kind. Freilich hat ihr sein Tod so sehr zugesetzt, dass sie nicht mehr spricht.»
«Ich muss sofort zu ihr», rief Hanna und stemmte sich hoch.
«Langsam.» Der Spitalkaplan winkte einem der Brüder, damit dieser die Reste des Frühstücks abräumte und den Tisch fortnahm. «Du bleibst hier.»
«Wer gibt Euch das Recht, mich festzuhalten?»
«Es ist nur zu deinem Besten, Hanna Völz. Deine Seele ist noch befleckt. Bald wird sie wieder ganz rein sein.»
Hanna wollte etwas erwidern, aber sie war einfach zu schwach. Sie drehte den Kopf und musterte den Spitalkaplan. Wie wohlgefällig er mich anschaut, dachte sie. Wie ein eitler Vater, der auf den Ruf seiner Tochter achtet. Will er sich unbedingt brüsten, er habe eine arme Köhlerin aus den Klauen des Teufels befreit?
«Du wirst auf jeden Fall noch Besuch bekommen.» Der Hegemeister warf Valentin einen kurzen Seitenblick zu, dessen Miene sich augenblicklich verhärtete. «Wer dich besuchen wird, ist Ritter Ulrich von Detwang. Er hat mir von Maries wunderbarer Rettung erzählt, auch von der Mantelkindschaft. Er wird dir mehr über sie berichten können.»
«Ulrich von Detwang? Wie schön.»
«Ja. Ein deutscher Ritter.»
Hanna sprach den Namen so zärtlich aus, als würde sie ihr Gesicht in ein kostbares Seidentuch schmiegen. Dabei schloss sie die Augen und lächelte selig. Der Name gab ihr Kraft, gleichzeitig hatte sie das Gefühl, die Schmetterlinge in ihrem Bauch ließen sie viel leichter werden.
Wenn Valentin es jetzt nicht begreift, ist er dumm, dachte sie. Hat er nicht auch Augen im Kopf? Muss ich es ihm noch deutlicher zeigen?
Sie brauchte es in der Tat nicht. Valentin schnellte von seinem Stuhl hoch, das Gesicht rot vor Ärger. «Was träumst du, Hanna? Du glaubst doch wohl nicht … So etwas Närrisches! Schnell, sag, dass ich mich irre und alles nur ein Spiel ist.»
«Nein, Valentin.» Der Trotz in ihrer Stimme war unüberhörbar. «Aber du hast recht, es ist ein Spiel. Ich hoffte, du würdest es spüren, dass
Weitere Kostenlose Bücher