Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
Zentimeter groß und von normaler Statur. Seine Bekleidung wirkte auffallend schmuddelig. Der Dreitagebart und die strähnigen, fettigen, schon etwas lichten Haare verstärkten den ungepflegten Eindruck. Außerdem hatte der Mann einen penetranten Körpergeruch. Der Beamtin fiel auch gleich ein gewisser Gesichtsausdruck auf, der ihr signalisierte, dass von dieser Person Gefahr ausgehen könnte. Sein Blick schien der Polizistin so undurchdringlich, zeitweise wirr und vor allem auch gefährlich zu sein, dass bei ihr sofort die berühmten Alarmglocken zu läuten begannen.
Simone Carlsen wusste bereits nach wenigen Minuten, dass es sich bei Manfred Öhler um eine psychisch kranke Person jenen Typs handelte, die Polizisten mit ihren endlosen Geschichten unter Umständen den letzten Nerv rauben können. Weil sie aber ihren Job gut machen wollte und weil sie eben von dem untrüglichen Gefühl beschlichen wurde, dass von dem Mann eine Gefahr ausgehen könnte, hörte sie sich seine Geschichte eine ganze Zeit lang geduldig an. Sie fertigte mit ihm sogar ein vierseitiges Vernehmungsprotokoll an, das sie von ihm unterschreiben ließ.
Manfred Öhler erzählte, er sei alleinstehend und bewohne in einem kleinen Ort unweit von Karlsruhe eine Doppelhaushälfte, die er von seiner Mutter geerbt habe. Sein Haus sei jedoch nur aus Holz gebaut, während die zweite Hälfte ein Massivbau sei. Außer einer Halbschwester, namens Brunhilde Koch, habe er niemand, der sich um ihn kümmere. Aber Brunhilde wolle ihn ständig bevormunden, ja sogar terrorisieren, weshalb er nicht gut mit ihr auskomme.
Er habe den Beruf des Drehers erlernt. Seit fünf Jahren sei er jedoch arbeitslos. Brunhilde würde ihm ab und zu Heimarbeit vorbeibringen. Zurzeit würde er Manschettenknöpfe zusammenbauen. Für 1000 montierte Manschettenknöpfe bekäme er 35 D-Mark. Mit diesem Geld würde er sich einigermaßen über Wasser halten.
Tagsüber würde er schlafen und nachts sei er immer wach. Das würde wegen seiner Krankheit so sein. Er habe es an den Nieren und an der Leber. In den Jahren 1983 und 1984 sei er alkoholsüchtig gewesen. Jetzt aber nicht mehr, weil er dafür kein Geld mehr habe.
Die Mutter sei 1977 gestorben, sein Vater drei Jahre später. Seitdem lebe er allein in dem Haus. Freunde habe er nicht. Von seinem Vater habe er 18 500 D-Mark geerbt. Das Geld habe eine ganze Zeit lang gereicht. Jetzt sei aber nichts mehr davon da.
Eine Überprüfung des Anzeigeerstatters ergab, dass gegen Manfred Öhler bereits im Februar 1981 wegen mehrfacher Verstöße gegen das Waffengesetz ermittelt worden war. Bei einer Hausdurchsuchung wurden fünf Gewehre und zwei Faustfeuerwaffen sowie eine größere Menge Munition gefunden. Wegen dieses Deliktes erhielt er eine zehnmonatige Freiheitsstrafe, die zunächst auf drei Jahre Bewährung ausgesetzt wurde. Später wurde die Bewährung bis zum 20. April 1986 verlängert.
Unmittelbar nach der Vernehmung fuhren Simone Carlsen, ein Kollege und ich mit dem unverkennbar psychisch kranken Anzeigeerstatter nach Hause. Wir wollten uns ein Bild von dessen häuslichen Verhältnissen machen. Uns ließ das Gefühl nicht los, dass dieser Verrückte zu allem fähig sein könnte. Letztlich sollte bei ihm auch der Eindruck erweckt werden, dass man die Sache mit der angezapften Wasserleitung ernst nimmt. Oft hilft das in solchen Fällen und die Betroffenen geben sich dann für eine Weile zufrieden.
Manfred Öhlers Haus befand sich äußerlich in einem heruntergekommenen Zustand. Uns fiel sofort auf, dass am helllichten Tag sämtliche Fensterläden geschlossen waren. Im Innern fanden wir chaotische Verhältnisse vor. Überall lagen Hausrat, Zeitschriften und Müll herum. Zahlreiche Illustrierte waren so abgelegt und aufgeschlagen, dass man die darin abgebildeten nackten Frauen auf Anhieb sehen konnte. Auch an Wänden und Schranktüren hingen aus Zeitschriften ausgeschnittene Bilder nackter oder halbnackter Frauen.
Am rechten Gehäuseteil des Fernsehers hing ein Bild aus der Illustrierten Stern, das seinerzeit um die ganze Welt ging. Es zeigte den südvietnamesischen Polizeichef Loan, wie er am 1. Januar 1968 einem gefangenen Vietcong einen Revolver an die Schläfe hält und abdrückt. Der Vorgang wurde damals gefilmt und in allen Nachrichtensendungen gezeigt.
In Büchern, auf Kartons oder auf Zetteln befanden sich mehrfach Notizen, dass man die Leiche des Manfred Öhler obduzieren soll, falls er zu Tode kommt.
Auf einem Zettel war
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