Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
folgender Text vermerkt:
» Ich bin am Ende meiner Kräfte, von allen verlassen, alle sind gegen mich. Mein Leben kann ich nicht mehr unter Kontrolle bringen. Ich bin fertig! »
Auffällig war auch, dass in der Küche eine Hängematte hing, über der eine Plane angebracht war. Das Ganze sah wie eine Art schwebendes Zelt aus. Als ich Manfred Öhler darauf ansprach, gab er an, das sei seine Schlafstätte. Mit der Plane würde er sich gegen giftige Dämpfe und Schwefelsäure schützen, die seine Nachbarn in sein Haus leiten bzw. spritzen würden. Ich musste mich sehr beherrschen, nicht zu grinsen, denn das wäre bei Öhler sicher nicht gut angekommen.
Nach der Besichtigung der Wohnung zog Kriminalhauptmeisterin Carlsen bei Öhlers Schwester, seinem Bewährungshelfer und seinem Arzt Erkundigungen über ihn ein. Es stellte sich heraus, dass verschiedene Versuche, ihn einer stationären nervenärztlichen Behandlung zuzuführen, fehlgeschlagen waren, weil er sich beharrlich dagegen verwahrt hatte. Zwangsmaßnahmen seien noch nicht eingeleitet worden, da man in dem sonderbaren Verhalten des Betroffenen noch keine Gefährdung anderer beziehungsweise der Allgemeinheit begründen konnte.
Gleichwohl sagte die Schwester aber aus, sie habe von einem Antrag auf Entmündigung ihres Stiefbruders abgesehen, weil er ihr drohte, ihrer Familie etwas anzutun, falls er entmündigt und in eine Psychiatrie eingewiesen werde. Diese Drohung nehme sie sehr ernst. Zusammen mit dem Bewährungshelfer sei sie immer bestrebt gewesen, ihrem Stiefbruder zu helfen und ihn wieder einem geregelten Leben zuzuführen, was jedoch bis jetzt nicht gelungen sei.
Brunhilde Koch sagte weiterhin aus, dass ihr Bruder Manfred nach wie vor ein Waffennarr sei und eventuell auch wieder Waffen besitze. Daraufhin suchten wir Öhler noch einmal zu Hause auf und fanden tatsächlich ein Luft- sowie ein Vorderladergewehr mit Perkussionszündung, die Öhler freiwillig herausgab. Er stellte in Abrede, noch weitere Waffen zu besitzen.
Auf der Grundlage dieser Ermittlungen regte Simone Carlsen einen Tag später bei der zuständigen Behörde eine amtsärztliche Untersuchung mit dem Ziel an, dass Manfred Öhler so schnell wie möglich in eine Psychiatrie eingewiesen wird. Doch die Mühlen von Behörden mahlen bekanntlich oft sehr langsam. Die Sache wurde nicht als absolut dringlich eingestuft, was durchaus verständlich war, da ja keine nachweisbare, akute Gefährdung eines Einzelnen oder der Allgemeinheit vorlag.
Etwa eine Woche später ging bei der Kriminalpolizei ein vertraulicher Hinweis ein, dass Manfred Öhler immer noch im Besitz von Waffen sei, die er bisher erfolgreich vor der Polizei versteckt habe.
Bereits am nächsten Tag hatte meine tüchtige Kollegin einen Durchsuchungsbefehl zur Hand. Als wir nun zum dritten Mal bei Manfred Öhler erschienen, zeigte er sich überrascht und vermutete, man habe ihn observiert und dabei gesehen, wie er beim Einkaufen eine Vorderladerpistole mitführte. Die Aussage verblüffte uns und bereitete uns gleichermaßen Sorgen. Öhler hatte sich verraten. Er ging also seelenruhig mit einer Schusswaffe einkaufen! Nicht auszudenken, was da hätte passieren können, wenn er in seinem Verfolgungswahn auf eine Person getroffen wäre, die seiner Vorstellung eines ihm nach dem Leben trachtenden Menschen entsprochen hätte.
Bei der anschließenden Durchsuchung seines Hauses fanden wir dann tatsächlich diese schussbereite Vorderladerpistole vom Kaliber 45, von der er gesprochen hatte. Auch diese Waffe gab Öhler ohne Widerspruch freiwillig heraus. Weitere Schusswaffen konnten wir trotz gründlicher Suche nicht finden.
Der Besitz dieser Waffe und sein abnormes Verhalten genügten aber nicht, Öhler in Haft zu nehmen. Dazu muss man wissen, dass damals der Besitz von Vorderladerwaffen nicht strafbar war, obwohl sie zweifellos genauso tödlich wirken können wie moderne Schusswaffen.
Es vergingen nun drei Wochen trügerischer Ruhe, bis sich am 29. August 1985 bei der Einsatzleitstelle des Polizeipräsidiums Karlsruhe die Ereignisse überschlugen. In kurzen Abständen gingen dort folgende Notrufe ein:
17.02 Uhr: Ein Mann teilt über Notruf mit, dass bei der Araltankstelle in Karlsruhe-Grünwettersbach geschossen wurde.
17.04 Uhr: Mit weinerlicher Stimme ruft eine Frau an und teilt mit, dass eine männliche Person die Araltankstelle in Grünwettersbach überfallen und dabei einen Mann niedergeschossen habe.
17.05 Uhr: Ein Amokschütze habe
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