Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
führt man als Kriminalbeamter in diesen Fällen die oft sehr zeitaufwendigen, gesundheitsgefährdenden und nicht selten auch komplizierten Ermittlungen einzig und allein für die Versicherungen durch. Das gefällt mir gar nicht, denn wer macht sich schon gerne zum Büttel schwerreicher Versicherungsgesellschaften, die stets bestrebt sind, sich möglichst vor hohen Schadensersatzleistungen zu drücken.
Nachdem ich die sogenannte Brandmeldung des Kriminaldauerdienstes und die Vernehmungsprotokolle gelesen hatte, war mir klar, dass ich bei dem Ausmaß des Brandes und der Höhe des Schadens gezwungen war, den Ort des Geschehens noch am selben Morgen aufzusuchen, um mit der Ursachenforschung zu beginnen. Die Kollegen des Kriminaldauerdienstes hatten zu allem Übel auch noch den Verdacht geäußert, dass eventuell vorsätzliche Brandstiftung vorliegen könnte. Doch so etwas kam schon öfter vor, dachte ich mir, und nachher stellte sich dann heraus, dass einmal mehr ein defektes Heizkissen oder Lüfter den Brand ausgelöst hatte.
Ich fuhr alleine in die Gemeinde, die, was Brände anbelangt, keinen guten Ruf hatte. In den zurückliegenden Jahren brannte es dort immer mal wieder und in der Gegend wurden die Bewohner des Dorfes deshalb gerne » Zündler« genannt. In der Hoffnung, dass ich sehr bald die Brandursache herausfinden würde, machte ich mich auf den Weg.
Nach 20 Minuten Fahrzeit stieg ich aus dem Auto. Beißender Brandgeruch lag in der Luft. Ich sah die Verwüstung, die das Feuer hinterlassen hatte, und sofort beschlich mich ein unangenehmes Gefühl. Wie sollte ich in diesem Chaos von schwarzem Schutt herausfinden, wie es zu dem Brand gekommen war?
Ich fing an, wie ich bei Bränden immer anfange. Aus der Distanz verschaffte ich mir zuerst einen Überblick. Brandgeschädigt waren zwei Wohnhäuser, eine Scheune, zwei zusammengebaute Schuppen mit Garage sowie ein Wohnwagen. Die Gebäude waren allesamt um einen großen Hof gebaut, den man durch eine Einfahrt betreten konnte. Das Hoftor war nicht abgeschlossen. Man konnte aber auch noch an mehreren anderen Stellen in den Hof gelangen, so zum Beispiel über freies Gelände hinter der Scheune.
Die Scheune war bis auf die Grundmauern niedergebrannt, was den Verdacht nahelegte, dass das Feuer dort seinen Ursprung hatte. Doch der in einem Abstand von etwa zwölf Metern entfernte Doppelschuppen war ebenfalls sehr stark abgebrannt, wobei er in seiner Grundsubstanz aber immer noch besser erhalten war als die Scheune.
Die beiden Wohnhäuser, in denen sich beim Ausbruch des Brandes deren Bewohner aufgehalten hatten, waren nur teilweise beschädigt.
Aufgrund des Schadenbildes, man spricht auch von der Brandzehrung, legte ich mich sehr bald fest, dass das Feuer entweder in der Scheune oder im Schuppen ausgebrochen sein musste und sich danach durch Funkenflug rasch weiter verbreitet hatte. Diese Theorie fand insbesondere dadurch Nahrung, dass das Feuer die Wohnhäuser nur an den Dächern und nach unten, bis etwa zur Mitte der Gebäude erfasst hatte.
Ich überlegte. Wenn in einer Scheune Heu gelagert ist, muss man bei den Ermittlungen immer an Selbstentzündung denken, die aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen möglich ist. Vereinfacht ausgedrückt, kann gelagertes Heu gären und hierbei so viel Wärme erzeugen, dass es sich selbst entzündet. Es war Mitte August, und in den vergangenen Tagen war es sehr schwül und heiß gewesen. Durchaus möglich, dass dies die Brandursache war. Aber ich wusste, eine Selbstentzündung von Heu kommt sehr selten vor.
In einem Raum des doppelten Schuppens befanden sich leicht brennbare Gegenstände wie Papier, Kleider, Teppiche, Gummireifen und Holz. In einem anderen Raum waren eine größere Menge Farbdosen und Flaschen gelagert, die offensichtlich Chemikalien unbekannter Art beinhalteten. Die Flaschen waren teils zerplatzt, teils ganz. Doch allesamt waren sie ausgebrannt.
Chemikalien können sich durch unkontrollierte Reaktionen oder auch durch Wärmezufuhr von außen selbst entzünden. Diese Ursache schien mir weitaus plausibler zu sein als eine Selbstentzündung des Heus, zumal der Eigentümer des Schuppens bei seiner Vernehmung angab, dass er Tage zuvor mit einer Farbe gestrichen hatte, der Leinöl beigemischt worden war.
Leinöl ist der klassische Stoff unter den biochemischen Produkten, der sich bei seiner Oxidation so stark erwärmen kann, dass er einen Putzlappen entzündet, mit dem man vorher das Leinöl weggewischt
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