Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
hat.
Für mich kam jedoch noch eine andere Brandursache infrage. Überall in der Scheune sowie an einem der Wohnhäuser waren elektrische Kabel in geradezu abenteuerlicher Weise verlegt. Aus Erfahrung wusste ich, dass elektrische Defekte ursächlich für die meisten Brände an Gebäuden sind.
Als ich die überaus schlampige Elektroinstallation sah, frohlockte ich innerlich, denn ich war mir sicher, dass ich den Fall sehr schnell klären konnte. Ich musste lediglich einen Elektrosachverständigen mit der Untersuchung beauftragen, der bestätigen konnte, dass es in einem Kabel oder einer Steckdose einen Kurzschluss gegeben hat. Anschließend musste ich nur noch denjenigen ermitteln, der die Pfuscharbeit durchgeführt hatte, und schon hatte ich meinen Täter, gegen den letzten Endes ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Brandstiftung einzuleiten war.
Doch meine schöne Theorie zerplatzte wie eine Seifenblase. Der Elektrosachverständige brauchte etwa fünf Stunden, bis er zu dem Schluss kam, dass die Verlegung der Elektrokabel zwar gegen alle Regeln und Vorschriften verstieß, dass aber ganz sicher kein Defekt an den Leitungen vorhanden war, der ein Feuer hätte auslösen können.
Ich musste also die Ärmel hochkrempeln und mich an die Arbeit machen. Zusammen mit den Kollegen der Kriminaltechnik schaute ich mir die Brandzehrungen noch einmal genauer an. Wir kamen zu dem Schluss, dass eine vorsätzliche Brandstiftung, bei der ein Täter an mehreren Stellen gleichzeitig Feuer legte, sehr unwahrscheinlich schien. Außer bei der Scheune, deuteten die Brandzehrungen in auffälliger Weise nämlich darauf hin, dass das Feuer an den jeweiligen Gebäuden zuerst im oberen Drittel angefangen haben musste. Daraus folgerte ich, dass sich ein einzelner Brandstifter wohl kaum die Mühe machen würde, die zum Teil schwer zugänglichen Dachräume des Doppelschuppens aufzusuchen, um dort ein Feuer zu entfachen. Das würde zum einen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und zum anderen müsste er damit rechnen, dass er von irgendwelchen Zeugen im Lichtschein des Feuers gesehen wird.
Er könnte auch im Voraus nur schwerlich abschätzen, wie schnell sich das erste, von ihm gelegte Feuer ausbreitet, während er gerade dabei ist, an anderen Stellen weitere Brände zu legen.
Mir fiel auch auf, dass vor der rechten Hälfte des Doppelschuppens etwa 20 Ballen Stroh lagen, die teilweise zwar verbrannt waren, an denen aber kein sogenannter Brandherd festgestellt werden konnte. Für einen Brandstifter hätte sich jedoch das Stroh als leicht entzündbares Material geradezu aufgedrängt.
Aufgrund dieser Feststellungen wehrte ich mich gegen den Verdacht, dass mal wieder ein Feuerteufel in dem kleinen Ort zugeschlagen hatte. Sicher, so dachte ich, gab es für die Entstehung des Brandes eine einfache und plausible Erklärung, die ich aber nie herausfinden werde, was bei Bränden nicht ungewöhnlich ist. Gleichwohl blieb mir aber nichts anderes übrig, als den Fall auszuermitteln, wie wir das in der Fachsprache nennen. Das bedeutete, ich musste sämtliche Personen befragen, die durch den Brand in irgendeiner Weise geschädigt worden waren. Anschließend musste ich versuchen, durch Nachbarschaftsbefragungen Hinweise zu erlangen, die zur Klärung des Falles beitragen könnten.
Doch diese Befragungen verwirrten meine bisherigen Erkenntnisse über das Geschehen zusehends. Jeder wollte irgendetwas Wichtiges berichten, und während der eine angab, der Schuppen habe zuerst lichterloh gebrannt, schwor der andere Zeuge Stein und Bein, dass die Scheune schon lange brannte und die Flammen erst später auf die anderen Gebäude übergriffen.
Ein Zeuge wollte auch eine Explosion gehört haben, was sich später als wahr erwies, denn im Brandschutt konnte eine geborstene Gasflasche gefunden werden. Lag hier vielleicht ein Anschlag vor?
Durchaus möglich, dachte ich, denn in dem einen Haus, zu dem auch die Scheune gehörte, wohnte eine Familie mit mehreren Kindern, deren Vater ein Pakistaner und deren deutsche Mutter zum Islam konvertiert war. Entsprechend war sie mit Kopftuch und Kaftan bekleidet. Das sei sicherlich gewissen Leuten ein Dorn im Auge, sagte mir ein Zeuge hinter vorgehaltener Hand.
Mit den » gewissen Leuten« waren Personen gemeint, die politisch der rechten Szene angehörten. Durch eine Computerrecherche bekam ich heraus, dass in der Gemeinde etwa 20 junge Männer aufgrund ihrer ausgeprägt neonazistischen Gesinnung für einen Anschlag auf die
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