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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Fenster musterte er den tief hängenden Himmel, an dem sich schwarze Gewitterwolken türmten, die ihn so dunkel färbten, dass sich eine vorzeitige Dämmerung über die Stadt herabgesenkt hatte.

85
    In Harkers Wohnhaus nahmen Carson und Michael den Aufzug in den vierten Stock, um den Gestank nach Moder im Treppenaufgang zu meiden.
    Die Leute von der Mordkommission, vom CSI-Team und neugierige Nachbarn hatten sich längst verzogen. Das Gebäude wirkte fast menschenleer.
    Als sie im vierten Stock ankamen, trafen sie dort Deucalion an, der sie im Hausflur vor Harkers Wohnung erwartete.
    Michael murmelte zu Carson: »Ich habe sein Batmobil gar nicht vor der Tür parken sehen.«
    »Du willst es nicht zugeben«, sagte sie, »aber du bist längst überzeugt.«
    Zu ihrem Erstaunen antwortete er: »Beinah.«
    Offenbar hatte Deucalion Michaels gemurmelte Worte gehört, denn er sagte: »Ich habe den Batcopter genommen. Er steht auf dem Dach.«
    Michael entschuldigte sich auf seine Weise. »Hören Sie, dieser blöde Witz hat nichts zu bedeuten. So bin ich nun mal. Ich kann mir dumme Sprüche einfach nicht verkneifen, wenn sie sich anbieten.«
    »Weil Sie so vieles im Leben sehen, was Sie verstört. Die
Grausamkeit, der Hass«, sagte Deucalion. »Der Humor ist Ihre Rüstung.«
    Zum zweiten Mal innerhalb von einer Stunde war Michael um eine schlagfertige Antwort verlegen.
    Carson hätte sich niemals ausgemalt, dass ein solcher Tag dämmern könnte. Vielleicht war das eines der sieben Zeichen der Apokalypse.
    Sie schlitzte das Polizeisiegel an der Tür auf und benutzte ihre Lockaid , um in die Wohnung zu gelangen.
    »Minimalismus in Reinkultur«, sagte Deucalion, als er das spärlich möblierte Wohnzimmer betrat. »Keine Bücher.«
    »Auf dem Dachboden hat er Bücher«, sagte Carson.
    »Keine persönlichen Gegenstände«, fuhr Deucalion fort, »keine dekorativen Dinge, keine Fotografien, keine Kunst. Er hat für sich keine Form gefunden, ein Leben zu führen. Das ist die Zelle eines Mönchs … aber dieser Mönch besitzt keinen Glauben.«
    Michael unternahm einen Versuch, sich wieder in den Sattel zu schwingen, und sagte: »Genial macht er das, Carson.«
    Deucalion sah in Richtung Küche, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Manchmal sitzt er dort drinnen am Tisch und trinkt. Aber der Whiskey gibt ihm nicht die Rettung, die er braucht. Nur gelegentlich ein kurzfristiges Entrinnen.«
    Bei der Routinedurchsuchung der Wohnung waren sie tatsächlich in der Küche auf eine Kiste Bourbon gestoßen.
    Mit einem Blick zum Schlafzimmer sagte Deucalion: »Dort werden Sie wahrscheinlich Pornographie finden. Nur ein einziges pornographisches Objekt. Ein Video.«
    »Genau«, bestätigte sie. »Wir haben es gefunden.«
    Als dieses Video mit dem Pornofilm im Lauf der Suche aufgetaucht war, hatte Michael es gleich mit diversen Titeln belegt – Transvestitsilvanien , Das Ding mit den zwei Dingern –, doch jetzt sagte er nichts, denn Deucalions Einsichten hatten ihn so sehr beeindruckt, dass er verstummt war.

    »Darstellungen kopulierender Paare haben keinen Reiz auf ihn ausgeübt«, sagte Deucalion. »Sie haben sein Gefühl, ein Außenseiter zu sein, nur noch mehr verstärkt. Und das Gefühl der Entfremdung vertieft.«

86
    Da er die taghelle Welt in all ihrer verwirrenden Geschäftigkeit fürchtete, hatte Randal sechs Zuflucht in einem Abfallcontainer in einer schmalen Seitenstraße gesucht.
    Zum Glück ist dieser riesige Container zur Hälfte mit nichts Abstoßenderem als Büromüll gefüllt, in erster Linie Papier und Pappe. Es sind keine Abfälle von Restaurants oder Geschäften mit Frischwaren, keine organischen Gerüche und nichts Schleimiges, das ihn umgibt.
    Während des ganzen Tages, bis die Gewitterwolken aufziehen, knallt die Sonne auf Randal hinunter. Das ist der erste Sonnenschein seines Lebens, hell und heiß, anfangs erschreckend, doch mit der Zeit weniger beängstigend.
    Er hat den Rücken an eine Ecke gelehnt und sitzt auf einem Polster von Papierabfällen, und seine Welt ist auf Dimensionen reduziert, die er verkraften kann. Dort sitzt er jetzt und löst ein Kreuzworträtsel nach dem anderen in dem Heft, das er aus seinem Zimmer im Hände der Barmherzigkeit mitgenommen hat.
    Häufig kommt Verkehr durch diese Seitenstraße. Und Menschen zu Fuß. Anfangs lässt er bei jeder Möglichkeit einer Begegnung von seinem Kreuzworträtsel ab, doch schließlich wird ihm klar, wie unwahrscheinlich es ist, dass ihn jemand stören wird.
    Er

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