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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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hatte, doch er konnte sich weder daran erinnern noch verstehen, warum dieser junge Victor so empfunden hatte, wie es der Fall gewesen war, und welche Überzeugungen seine Triebfedern gewesen waren. Er versuchte allerdings auch nicht wirklich, es zu verstehen, da er schon vor langer Zeit diesen ganz anderen Weg eingeschlagen hatte und es keine Umkehr mehr gab.
    Der junge Victor hatte aber auch daran geglaubt, dass es in der Macht des menschlichen Willens stand, die Natur nach seinen Wünschen umzugestalten, und mit diesem Aspekt seines früheren Ichs konnte sich Victor noch heute identifizieren. Das Einzige, was zählte, war der Triumph des Willens.
    Was hier im Schlafzimmer nicht stimmte, war, dass es seinem Willen ausnahmsweise misslang, die Realität nach seinen Wünschen umzuformen. Er wollte sexuelle Befriedigung, doch sie entzog sich ihm.
    Seine Gedanken kehrten immer wieder zu der Abendgesellschaft zurück, zu Erikas Anblick und dem Geräusch, mit dem sie die Suppe hörbar von ihrem Löffel geschlürft hatte.
    Schließlich rollte er sich von ihr herunter, wälzte sich auf den Rücken und gab sich geschlagen.
    Sie starrten schweigend die Decke an, bis Erika flüsterte: »Es tut mir Leid.«
    »Möglicherweise ist es ja meine Schuld«, sagte er und meinte damit, vielleicht sei ihm bei ihrer Herstellung ein Fehler unterlaufen.
    »Ich errege dich nicht.«
    »Im Allgemeinen schon. Aber nicht heute Abend.«
    »Ich werde dazulernen«, gelobte sie. »Ich werde mich geschickter anstellen.«
    »Ja«, sagte er, denn genau das musste sie tun, wenn sie
ihre Rolle behalten wollte, doch er zweifelte bereits daran, dass Erika vier die endgültige Erika sein würde.
    »Ich gehe ins Krankenhaus«, sagte er. »Ich bin in einer kreativen Schaffenslaune.«
    »Ins Hände der Barmherzigkeit .« Sie erschauerte. »Ich glaube, ich träume davon.«
    »Nein, das tust du nicht. Ich erspare euch allen jegliche Träume von euren Ursprüngen.«
    »Aber von irgendeinem Ort träume ich«, beharrte sie. »Dort ist es dunkel und sonderbar, und alles ist vom Tod durchdrungen.«
    »Da hast du den Beweis dafür, dass es nicht das Hände der Barmherzigkeit ist. Meine Labore sind voller Leben.«
    Da ihn Erika einerseits langweilte und die Richtung, die ihre Gedanken eingeschlagen hatten, ihn andererseits mit Sorge erfüllte, stand Victor aus dem Bett auf und ging nackt ins Bad.
    Er betrachtete sich in den geschliffenen Spiegeln und sah etwas, was weit über das rein Menschliche hinausging: ein Juwel, eingefasst in den Rahmen dieser vergoldeten Badezimmerarmaturen und der mit Marmor verkleideten Wände.
    »Vollendung«, sagte er, obgleich er wusste, dass er dieses Ideal noch nicht ganz erreicht hatte.
    Durch seinen Leib wand sich ein biegsamer metallener Strang, der in sein Fleisch eingebettet war, mit seinen Rippen verflochten und spiralförmig um seine Wirbelsäule geschlungen, und die damit verbundenen Implantate verwandelten simplen elektrischen Strom – an den er sich zweimal täglich anschloss – in eine andere Form von Energie, eine stimulierende Ladung, die dafür sorgte, dass die Beschleunigung der Zellteilung erhalten blieb wie bei einem jungen Menschen und dass die biologische Zeit langsamer voranschritt.
    Sein Körper bestand aus einer Unmenge von Narben und
eigentümlichen Wucherungen, doch er fand sie alle wunderschön. Sie waren die Folgen der Prozeduren, durch die er die Unsterblichkeit erlangt hatte; sie waren die Abzeichen seiner Göttlichkeit.
    Eines Tages würde er mit seiner eigenen DNA einen Körper klonen, ihn mit den zahlreichen Verbesserungen ausstatten, die er im Lauf der Zeit entwickelt hatte, sein Wachstum beschleunigen und, assistiert von Chirurgen, die er selbst erschaffen hatte, sein Gehirn in diese neue Umgebung verpflanzen lassen.
    Wenn dieses Werk vollendet war, würde er der Inbegriff physischer Perfektion sein, doch seine Narben würde er vermissen. Sie waren der Beweis für seine Ausdauer, sein Genie und den Triumph seines Willens.
    Jetzt zog er sich an und freute sich schon auf eine lange Nacht in seinem Zentrallabor im Hände der Barmherzigkeit .

29
    Während Carson nach ihrem Bruder sah, der mit dem Bau seiner Burg beschäftigt war, lehnte Michael mit einem Becher von Vickys Kaffee an einer Arbeitsfläche in der Küche.
    Vicky Chou, die gerade damit fertig geworden war, den Herd zu reinigen, fragte: »Wie sind die Javabohnen?«
    »So bitter wie Galle«, sagte Michael.
    »Aber nicht säurehaltig.«
    »Nein«,

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