Das Gesicht
bist.«
Sie lächelte. Er liebte ihr Lächeln. Er bekam es nicht oft genug zu sehen.
»Danke, Michael. Du bist ein prima Typ.«
Er hätte lieber von ihr gehört, dass er ihre große Liebe war, aber ein »prima Typ« war zumindest ein Anfang.
Als sie vor seinem Wohnblock an den Straßenrand fuhr, gähnte sie noch einmal und sagte: »Ich bin total erschlagen. Fix und fertig.«
»So erschlagen, dass du es kaum erwarten kannst, dich augenblicklich wieder auf den Weg in Allwines Wohnung zu machen.«
Diesmal fiel ihr Lächeln weniger strahlend aus. »Du kennst mich zu gut.«
»Du hättest nicht zwischendurch nach Arnie gesehen, wenn du vorgehabt hättest, nach Hause zu fahren, sowie du mich abgesetzt hast.«
»Ich sollte wissen, dass man einen Bullen von der Mordkommission nicht so leicht verarschen kann. Es sind diese schwarzen Räume, Michael. Ich muss … mich allein darauf einlassen.«
»Dich mit dem Medium in dir in Verbindung setzen.«
»So ungefähr.«
Er stieg aus und beugte sich dann noch einmal durch die offene Wagentür. »Mach Schluss mit den Zwölfstundentagen, Carson. Es gibt niemanden, dem du etwas beweisen musst. Bei der Polizei nicht. Und deinem Dad brauchst du auch nichts zu beweisen.«
»Aber mir selbst.«
Er schloss die Tür und sah ihr nach, als sie losfuhr. Er wusste, dass sie tough genug war, um auf sich selbst aufzupassen, und doch machte er sich Sorgen um sie.
Er wünschte fast, sie wäre schutzbedürftiger. Es brach ihm nahezu das Herz, dass sie ihn nicht ganz, ganz dringend brauchte.
30
Roy Pribeaux amüsierte sich bei dem Treffen mehr, als er erwartet hatte. Normalerweise war eine solche Verabredung ein lästiges Intermezzo zwischen der Planung des Mordes und seiner Ausführung.
Candace erwies sich als schüchtern, aber charmant und von Natur aus liebenswürdig. Sie hatte trockenen Humor und Sinn für Ironie auf ihre eigenen Kosten.
Sie gingen in ein Café an der Uferpromenade. Als sie auf Anhieb ungezwungen miteinander ins Gespräch kamen und eine Menge Themen fanden, war Roy zwar überrascht, aber
auch erfreut. Das Ausbleiben anfänglicher Befangenheit würde das arme Ding noch schneller entwaffnen.
Nach einer Weile fragte sie ihn, was er genauer damit gemeint hatte, als er sich selbst bei ihrer ersten Begegnung als einen Christen bezeichnet hatte. Welcher Konfession gehörte er an, was war sein Bekenntnis?
Ihm war sofort klar, dass darin der Schlüssel zu ihrem Vertrauen lag. So konnte er am einfachsten ihr Herz für sich gewinnen. Den christlichen Eröffnungszug hatte er schon in anderen Fällen zum Einsatz gebracht, und bei der richtigen Frau hatte er sich ebenso gut bewährt wie die Hoffnung auf phantastischen Sex oder sogar Liebe.
Weshalb er, der reinste Adonis, sich für eine lahme Ente wie sie interessieren sollte – dieses Rätsel nährte ihren Argwohn, und daher war sie auf der Hut.
Wenn sie jedoch zu der Überzeugung gelangte, dass er ein Mann mit echten moralischen Prinzipien war, der eine tugendhafte Gefährtin suchte und nicht nur einen guten Fick, dann würde sie ihn als jemanden ansehen, der höhere Maßstäbe anlegte als bloße physische Schönheit. Sie würde sich einreden, ihre hübschen Augen genügten ihm in dieser Hinsicht und was er wirklich an ihr zu schätzen wusste, seien ihre Unschuld, ihre Keuschheit, ihr Charakter und ihre Frömmigkeit.
Der Trick bestand jetzt darin, innerhalb des Christentums ihre bevorzugte Marke zu erraten und sie dann davon zu überzeugen, dass er ihre Vorliebe für dieses spezielle Aroma des Glaubens teilte. Wenn sie der Pfingstgemeinde angehörte, würde er einen ganz anderen Ansatz wählen müssen als den, der erforderlich war, falls sie Katholikin sein sollte, und noch mehr würde sich dieser Ansatz von dem weltlichen und ironischen Stil unterscheiden, den er vortäuschen musste, wenn sich herausstellte, dass sie Unitarierin war.
Zum Glück erwies sie sich als Anhängerin der Episkopalkirche
und nicht einer der inbrünstigeren Sekten, denn eine solche Verstellung wäre Roy wesentlich schwerer gefallen. Wäre sie Adventistin vom Siebenten Tage gewesen, dann hätte er unter Umständen nicht so recht weitergewusst.
Sie erwies sich auch als eine begeisterte Leserin und insbesondere als Fan von C. S. Lewis, einem der herausragenden christlich orientierten Schriftsteller des gerade zu Ende gegangenen Jahrhunderts.
In seinem Bestreben, ein Renaissancemensch zu sein, hatte er Lewis gelesen, zwar nicht all seine
Weitere Kostenlose Bücher