Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
sagte der Geistliche. »Vielleicht schämt er sich. Er schämt sich, weil er Sie enttäuscht hat.«
    Diese Äußerung bereitete Victor Sorgen. »Wie kommst du denn auf so etwas, Patrick? Die Neue Rasse ist zu Scham nicht fähig.«
    Nur Erika war darauf programmiert worden, Scham zu kennen, und das nur, weil Victor sie am erotischsten fand, wenn sie vor Scham verging.
    »Scham«, erklärte er Patrick, »ist keine Tugend. Sie ist eine Schwäche. Kein Naturgesetz verlangt Scham. Wir herrschen über die Natur … und transzendieren sie.«
    Der Geistliche wich Victors Blick aus. »Ja, Sir, Sie haben selbstverständlich Recht. Ich glaube, was ich meinte, war … vielleicht empfindet er eine Form von … Bedauern, weil er Ihre Erwartungen nicht erfüllt hat.«
    Möglicherweise würde man den Geistlichen unter ständige Beobachtung stellen oder ihn sogar einem ganztägigen Verhör im Labor unterziehen müssen.

    »Durchsuche die Stadt, Patrick. Setze die Nachricht unter meinen Leuten in Umlauf. Vielleicht haben sie einen ihresgleichen gesehen, der sich seltsam benimmt. Ich betraue dich und ein paar andere Schlüsselfiguren mit dieser Suche, und ich weiß, dass du meinen Erwartungen entsprechen wirst.«
    »Ja, Sir.«
    »Falls du ihn findest und er fortläuft … töte ihn. Du weißt, wie man deinesgleichen töten kann.«
    »Ja, Sir.«
    »Sieh dich vor. Er hat bereits einen von euch getötet«, enthüllte ihm Victor.
    Überrascht sah ihm der Geistliche wieder in die Augen.
    »Ich hätte ihn lieber lebend«, fuhr Victor fort. »Aber ich brauche zumindest seine Leiche. Zu Studienzwecken. Bring ihn mir ins Hände der Barmherzigkeit .«
    Sie waren so nah an dem Ständer mit Votivkerzen, dass der zuckende blutrote Widerschein der Flammen über Patricks Gesicht kroch.
    Das regte Victor zu der Bemerkung an: »Fragst du dich eigentlich manchmal, ob du verdammt bist?«
    »Nein, Sir«, antwortete der Geistliche, wenn auch zögernd. »Es gibt keine Hölle und auch keinen Himmel. Dieses hier ist das einzige Leben.«
    »Ganz genau. Dein Verstand ist zu sorgsam hergestellt, um Raum für Aberglauben zu lassen.« Victor erhob sich vom Gestühl. »Gott segne dich, Patrick.« Als der Geistliche die Augen vor Erstaunen weit aufriss, sagte Victor lächelnd: »Das war nur ein Scherz.«

40
    Als Carson Michael vor seinem Wohnhaus abholte, musterte er sie beim Einsteigen in ihren Wagen und sagte: »Du hast noch dieselben Sachen an wie gestern.«
    »Du bist wohl plötzlich Modekritiker geworden.«
    »Du siehst … zerknittert aus.«
    Als sie vom Randstein losfuhr, sagte sie: »Zerknittert, meine Fresse. Ich sehe aus wie ein Kuhfladen mit einer miserablen Perücke.«
    »Du konntest nicht schlafen?«
    »Es kann gut sein, dass ich nie mehr schlafen kann.«
    »Wenn du seit mehr als vierundzwanzig Stunden auf bist, solltest du nicht fahren«, sagte er.
    »Mach dir deshalb bloß keine Sorgen, Mom.« Sie zog einen großen Becher von Starbucks zwischen ihren Oberschenkeln heraus und trank ihren Kaffee durch einen Strohhalm. »Ich bin so aufgekratzt vom Koffein, dass ich die Reflexe einer Grubennatter habe.«
    »Haben Grubennattern gute Reflexe?«
    »Willst du mal mit einer in die Grube? Dann siehst du es selbst.«
    »Du bist ja ganz schön überspannt. Was ist passiert?«
    »Ich habe einen Geist gesehen. Und mir vor Angst in die Hose geschissen.«
    »Und wann kommt die Pointe?«
    Das, was sie Kathy Burke gegenüber nicht hatte aussprechen können, konnte sie Michael erzählen. In der Polizeiarbeit standen Partner einander näher als Freunde. Das war ihnen aber auch anzuraten. Schließlich vertrauten sie einander täglich von neuem ihr Leben an.
    Wenn man seinem Partner etwas nicht sagen konnte, dann brauchte man dringend einen neuen Partner.
    Dennoch zögerte sie, bevor sie sagte: »Er schien aus Wänden
herauszuspazieren und in sie hinein zu verschwinden. Ein verdammt großer und kräftiger Kerl, aber er bewegt sich schneller als das Auge.«
    »Wer?«
    »Hörst du mir überhaupt zu? Der Geist, wer denn sonst.«
    »Hast du was in den Kaffee geschüttet?«
    »Er hat gesagt, er sei aus Leichenteilen von Verbrechern zusammengesetzt worden.«
    »Jetzt mal langsam. Du fährst viel zu schnell.«
    Carson beschleunigte. »Die Hände eines Würgers, ein Herz von einem wahnsinnigen Brandstifter, das andere von einem Kinderschänder. Die Lebenskraft von einem Gewitter.«
    »Ich kapiere überhaupt nichts.«
    »Ich auch nicht.«
     
    Als Carson vor dem

Weitere Kostenlose Bücher