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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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einen Auftrag annahmen, erschien Carson vernünftig.
    Nicht etwa, dass sie sich stets nach ihrem gesunden Menschenverstand richtete. Manchmal musste man eben leichtsinnig Risiken eingehen, wenn man seinen Instinkten vertraute und wenn man ein Mensch war.
    Andernfalls konnte man auch gleich den Polizeidienst quittieren und Sicherheitsingenieur werden.
    Was das Menschsein anging, war da diese Schreckgestalt in Allwines Wohnung, die behauptete, nicht menschlich zu sein. Es sei denn, dieses Wesen bildete sich ein, aus den Leichenteilen von Verbrechern zusammengestückelt und durch Blitze zum Leben erweckt worden zu sein, sei keine genügend große Abweichung von der gängigen Daddy-schwängert-Mommy-Norm, um ihm seinen menschlichen Status streitig zu machen.
    Entweder das Monster – als das hatte er sich selbst bezeichnet, man konnte ihr also nicht vorwerfen, sie drücke sich politisch unkorrekt aus – war ihrer Einbildung entsprungen,
was hieß, dass sie übergeschnappt war, oder es war wirklich vorhanden gewesen, was hieß, dass vielleicht die ganze Welt übergeschnappt war.
    Inmitten dieses schaurigen und unglaublichen Falles konnte sie Michael doch nicht einfach den Reißverschluss runterziehen und sagen: Ich weiß, dass du davon schon lange träumst. Eine Romanze war eine zarte, zerbrechliche Angelegenheit. Man musste sie liebevoll hegen und pflegen, damit sie groß und kräftig wurde und zu etwas Wundervollem heranreifte. Im Moment hatte sie keine Zeit für einen Orgasmus, von einer Romanze ganz zu schweigen.
    Falls sich zwischen ihr und Michael etwas Bedeutsames herausbilden konnte, dann wollte sie es nicht kaputtmachen, indem sie überstürzt mit ihm ins Bett ging, und schon gar nicht zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitsdruck sie fast zerquetschte.
    Und das gab nun wirklich einen Hinweis darauf, wie tief und rettungslos sie sich in ihn verliebt hatte. Das Wasser stand ihr bis über beide Ohren.
    Sie fuhr den weiten Weg nach Hause, ohne sich selbst oder jemand anderen umzubringen. Wenn sie tatsächlich so wach und bei so klarem Verstand gewesen wäre, wie sie es von sich behauptete, dann wäre sie nicht so bescheuert stolz auf diese Leistung gewesen.
    Auf dem Weg vom Wagen zum Haus kam ihr die Sonne grell genug vor, um sie zu blenden. Sogar in ihrem Schlafzimmer stach das Tageslicht an den Fenstern schmerzhaft in ihren blutunterlaufenen Augen und ließ sie zusammenzucken.
    Sie schloss die Läden. Sie zog die Gardinen zu. Sie spielte mit dem Gedanken, das Zimmer schwarz zu streichen, beschloss aber, das ginge dann doch zu weit.
    Vollständig angezogen fiel sie aufs Bett und war eingeschlafen, bevor das Kissen unter ihrem Kopf in sich zusammensank.

47
    Als Roy Pribeaux zum vierten Mal die Gefriertruhe öffnete, um nachzusehen, ob Candace noch da war, war sie immer noch da, und daher beschloss er, die Möglichkeit auszuschließen, dass er Wahnvorstellungen hatte.
    Seinen Wagen hatte er am Vorabend stehen lassen. Zum French Quarter hatte er es nicht weit, und sie waren überall zu Fuß hingegangen.
    Und doch hätte er sie nicht vom Pier bis zu seinem Loft tragen können. Dazu war der Weg zu weit. Er war zwar ein kräftiger Mann und wurde jeden Tag kräftiger, aber sie war eine schwere Person.
    Außerdem konnte man nicht einfach eine Leiche ohne Augen durch das Herz der Stadt schleppen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und Verdacht zu erregen. Das ging nicht mal in New Orleans.
    Eine Schubkarre besaß er nicht. Aber das wäre ohnehin keine praktikable Lösung gewesen.
    Er goss sich noch ein Glas Apfelsaft ein, um den Rest des Muffins damit hinunterzuspülen.
    Die einzige glaubwürdige Erklärung für Candace’ unerwartetes Auftauchen war, dass jemand sie vom Pier hierher gebracht und in seine Lebensmitteltiefkühltruhe gepackt hatte. Dieselbe Person hatte die drei Plastikbehälter mit Organen in die andere Gefriertruhe gestellt, den Liebesspind.
    Das hieß, jemand wusste, dass Roy Candace getötet hatte.
    Dieser Jemand musste sogar tatsächlich beobachtet haben, wie er sie getötet hatte.
    »Gespenstisch«, flüsterte er.
    Er hatte nicht bemerkt, dass ihm jemand gefolgt war. Wenn jemand ihm die ganze Zeit über auf den Fersen gewesen war und beobachtet hatte, wie er Candace den Hof
machte, dann hatte derjenige sich als ein Meister der Überwachung erwiesen, fast so körperlos wie ein Geist.
    Aber schließlich war es nicht einfach nur irgendjemand. In Anbetracht der drei geschmacklosen Behälter mit den

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