Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
höchste Zeit war.
     
    Das Pfarrhaus war picobello aufgeräumt, und Siân hatte im Wohnzimmer ein Feuer gemacht. Das war aufmerksam; Merrily machte selten vor dem Abend ein Feuer.
    Das Gästezimmer sah aus, als wäre Siân nie da gewesen. Es lag im hinteren Teil des Hauses, mit Blick auf den alten Powell-Obstgarten. Die Sonne war herausgekommen, und die reifen Äpfel glänzten wie Christbaumkugeln. Merrily wollte die Bettdecke frisch beziehen, aber Mrs. Morningwood winkte ab.
    «Machen Sie sich keine Mühe, es stinkt morgen früh sowieso nach diesem Zeug.»
    Töpfchen und Flaschen, einige mit Etikett, wurden auf den Nachttisch gestellt, zusammen mit einem Glas und einem Löffel. Sie hatte zugelassen, dass Merrily ihr eine Tasse schwachen Tee machte, es aber abgelehnt, etwas zu essen. Merrily setzte sich auf die Bettkante.
    «Auf die Gefahr hin –»
    «Nein.»
    «Es geht mir vor allem um die Kopfverletzungen. Der Arzt hier ist zwar nicht gerade ein Fan von alternativer Medizin, aber er könnte Ihnen wenigstens etwas zur Beruhigung geben.»
    «Sie meinen zu
Ihrer
Beruhigung. Das ist nicht nötig. Ich habe keinen Schädelbruch, und selbst wenn ich einen
hätte
 –»
    «Er muss ja nicht erfahren, was passiert ist.»
    Doch schon während sie das sagte, wusste sie, dass es nicht stimmte. Kent Asprey
würde
es erfahren müssen, denn Mrs. Morningwoods erfundene Geschichte konnte zwar möglicherweise die Kopfverletzungen erklären, aber wie viele Leute hatten nach einem Autounfall Würgemale am Hals?
    Merrily sagte: «Ruhen Sie sich ein bisschen aus.» Sie ging zur Tür. Als sie sich noch einmal umdrehte, stand Mrs. Morningwood am Fenster, ein verwundertes Lächeln auf den aufgeplatzten Lippen. Oder vielleicht war es überhaupt kein Lächeln, sondern nur die Wunde. Es
musste
einfach jemand gewesen sein, den sie kannte.
    «Und, nein, wenn Sie aufwachen, wird keine Polizei an Ihrem Bett sitzen», sagte Merrily.
    «Danke.»
    «Wenn Sie irgendwas brauchen –»
    «Werde ich nicht. Und wenn Sie sich um Gemeindeangelegenheiten kümmern müssen, machen Sie nur.»
    «Gut.»
     
    Unzufrieden ging Merrily nach unten und durch die Küche ins Spülküchenbüro. Sie setzte sich, starrte auf die Schreibtischunterlage und versuchte, von Mrs. Morningwoods Widerstandsvermögen beeindruckt zu sein, aber die Fähigkeit dieser verdammten Frau, ihre Wut und den Schmerz zu unterdrücken, die sie innerlich zerreißen mussten, verwirrte und entsetzte sie.
    Merrily fühlte sich nutzlos, ineffizient und – Jane hatte recht gehabt – wie ein Fußabtreter. Sie hatte … es war wirklich unfassbar … sie hatte gerade
einen Tatort gereinigt
. Dieses Monster war irgendwo da draußen, und sie hatte seine Sauerei aufgewischt, alle brauchbaren Spuren seiner DNA zerstört, und sie …
    … wollte beten und konnte es nicht.
    Ihre Handflächen waren feucht vor Schweiß, und sie brachte nicht mal den Willen auf, sie zusammenzuführen. In ihrer Brust saß eine Art öde Kälte. Ein Gefühl des Verlassenseins, als wäre etwas aus ihrem Leben verschwunden.
    Etwas wie die Bedeutung des Ganzen. Etwas wie das grundlegende Gefühl für die spirituelle Bedeutung ihres Jobs, ihre Rolle in dieser schwarzen Komödie. Etwas wie ihr Selbstwertgefühl.
    Sie brachte sich dazu, Adam Eastgates Nummer nachzuschlagen. Vielleicht hätte sie es geschafft, sich Mrs. Morningwood gegenüber zu behaupten, sie zur Vernunft zu bringen, wenn der frühmorgendliche Anruf des Bischofs sie nicht so umgehauen hätte.
    Sich einer Frau gegenüber behaupten, die zusammengeschlagen und vergewaltigt worden war? Sie ‹zur Vernunft bringen›?
    Merrily schüttelte wild den Kopf, als würde das Durcheinander in ihrem Kopf dadurch ein zufälliges, aber leichter zu interpretierendes Muster bilden. Dann zündete sie sich eine Zigarette an, hob den Hörer des schwarzen Bakelittelefons an, legte ihn abrupt wieder auf, nahm ihr Handy und wählte die Nummer.
    «Nein, der Bischof hat nicht angerufen», sagte Adam Eastgate. «Er ist zu uns gekommen, Merrily. Nach Hause.»
    «Er ist zu Ihnen nach Hause gekommen?»
    «Er sagte, er wäre sowieso in der Nähe gewesen – ich lebe in Burghill, das ist nicht gerade ein Ort, an dem man zufällig vorbeikommt. Was er zu sagen hatte, ergab irgendwie Sinn. Zu schade, wirklich.»
    «Was … was genau hat er denn gesagt?» Sie merkte, wie sich ihr Magen zusammenzog.
Es kann gut sein, dass Sie kurz vor einem Magengeschwür stehen.
«Hat er angedeutet,

Weitere Kostenlose Bücher