Das Gespinst des Bösen
zusammengeschlagen worden, oder?»
«Was hast du gegen einen Autounfall?»
«Ich hab dagegen, dass ich siebzehn bin. Im Unterschied zu … neun?»
«Arme Jane.» Mrs. Morningwood setzte sich. «Du balancierst am Abgrund.»
«Was soll das denn heißen?» Jane betrachtete die Ruine dessen, was ihrer Vermutung nach mal eine extrem coole Frau gewesen sein musste. «Wer hat Ihnen das angetan? Warum spucken Sie es nicht einfach aus?»
«Ich weiß noch genau, wie ich mich in deinem Alter gefühlt habe. Die Angst davor, eine falsche Zukunft zu wählen.»
«Die Zukunft. Genau. Ich hasse die Scheißzukunft.»
«Ja, so haben sich die Dinge geändert. Als ich in deinem Alter war, konnten wir es kaum abwarten, uns hineinzustürzen, wie in einen tiefblauen Swimmingpool. Heute scheint der Pool weg zu sein, und du siehst nur harten, rissigen Lehm.»
«Ja.» Jane beschloss, dass sie bei dem sogenannten Autounfall nicht weiterkommen würde. «Glauben Sie an Hellseherei, Mrs. Morningwood?»
Mrs. Morningwood öffnete ein neues Päckchen Zigaretten. «Ich akzeptiere, bis zu einem gewissen Grad, das Phänomen der Hell
seherei
. Während ich Hell
sehern
gegenüber im Allgemeinen skeptisch bin.»
«Mir hat mal eine Frau Tarotkarten gelegt», sagte Jane. «Sie sagte – zum Beispiel –, dass ich mehr als einen ernstzunehmenden Liebhaber haben würde, ehe ich zwanzig bin.»
«Keine besonders ambitionierte Vorhersage, Schätzchen.»
«Ich war ungefähr … Ewigkeiten lang mit diesem Typen zusammen. Mehr als ein Jahr.»
«Eine ernsthafte Bindung.»
«Wir waren gute Freunde.»
«Ziemlich selten.»
«Und ich denke: Du bist
siebzehn
. Und du läufst Gefahr, na ja … zur
Hälfte eines Paars
zu werden?»
«Zu gemütlich?»
«Ich meine, wir hätten uns ein paar Mal fast getrennt, aber es ist nie dabei geblieben. Dann ist er zum Studium weg – letzten Monat. Und ich geh jetzt einfach nicht mehr ans Telefon, wenn er anruft.»
Mrs. Morningwood dachte darüber nach.
«Du meinst, du hast Angst bekommen, weil es in deinem Liebesleben nicht genug Aufregung gab? Keinen anderen am Horizont?»
«Da war dieser Typ, den ich ein bisschen toll fand. Ich wusste zuerst nicht, dass er verheiratet ist. Eine Zeitlang hab ich gedacht, das wäre vielleicht, na ja … eine Erfahrung. Die andere Frau zu sein. Aber dann dachte ich …»
«Dass du eine Ehe zerstörst?»
«Dann dachte ich daran, dass mein Dad meine Mom betrogen hat. Er hatte eine andere Frau. Er war Anwalt, und sie hat in seiner Kanzlei gearbeitet, und sie sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich klein war.»
«Oje.» Mrs. Morningwood klang nicht besonders mitfühlend. «Ich … habe das mal gemacht, weißt du. Eine Ehe zerstört.»
«Was ist passiert?»
«
Ich
habe ihn geheiratet, und es war eine Katastrophe. Nach dem vorläufigen Scheidungsurteil habe ich zufällig seine erste Frau getroffen, und sie hatte eine neue Beziehung und war sehr glücklich. Sie hat gesagt, sie wäre mir … dankbar.»
«Und Sie?»
«Ich war stinksauer, Schätzchen, aber so ist das Leben, oder?»
«War da seitdem kein anderer mehr?»
«Oh, mehrere sogar. Aber keiner davon ist je mein Freund geworden.»
«Das ist die Moral von der Geschichte, oder?», sagte Jane. «Wenn er auch ein Freund ist, bleib bei ihm.»
«Oh, ich spreche
nie
über Moral. Ich gebe auch keine Ratschläge. Was hat dir die Frau mit den Tarotkarten noch gesagt?»
«Na ja, also, das ist das Problem. Sie wusste, was Mom macht, und sie hatte so ihre eigenen Absichten. Deshalb kann ich dem Rest nicht trauen.»
«Aber dem, was sie über dein Liebesleben gesagt hat, traust du.»
«Ich weiß nicht.»
«Hattest du Sex mit dem verheirateten Mann?»
«Ähm, nein. Aber ich glaube, ich hätte es dazu kommen lassen können, wenn ich gewollt hätte.»
«Aber
natürlich
hättest du das –»
«Eigentlich war es auch so schon irgendwie gut für mich. Es hat mein Leben verändert, echt. Was hat er denn?»
Roscoe war auf den Beinen, eine halbe Sekunde, ehe es an der Tür klingelte.
«Ich geh hin.» Jane stand auf. «Sie verschwinden lieber in der Spülküche, falls es Bliss oder irgendjemand anderes ist, der Fragen stellt.»
Vor der Tür stand ein Mann mit einer grünen Wanderjacke, darunter einen Priesterkragen. Zu seinen Füßen zwei Reisetaschen, die ihr bekannt vorkamen.
«Hallo.» Glatze, breites freundliches Lächeln hinter einem weißen Bart. «Sie sind nicht zufällig Jane?»
«Ähm, ja. Tut mir
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