Das Gespinst des Bösen
den letzten paar Jahren nichts total Offensichtliches war, greift Phase zwei: eine schlicht gehaltene Segnung des Hauses. Aber denken Sie auf jeden Fall daran, den dortigen Pfarrer einzubeziehen.»
«Es gibt keinen. Nur einen pensionierten Pfarrer, der die Stellung hält.»
«Das reicht. Und dann sollte zumindest ein Familienmitglied dabei sein – von den Leuten, die das Haus an den Herzog verhökert haben, plus, wenn möglich, jemand aus der Familie, der das Haus vorher gehört hat. Mehrere Generationen lang, sagten Sie?»
«Das ist jedenfalls mein Informationsstand.»
«Dann würde das helfen. Und schließlich – das ist wichtig – müssen Sie in aller Form einen Offiziellen vom Herzogtum Cornwall anfordern. Je höher der Rang, desto besser.»
«Wow.» Merrily lehnte sich zurück und zündete die Zigarette an. «Das ist schlau.»
«Dann haben Sie alle ins Boot geholt und alle einbezogen.»
«Tadellos.»
Das würde es natürlich nicht sein. So einfach war es nie.
«Und was tun Sie danach?», fragte Huw.
«Ich weiß es nicht. Was tue ich danach, Boss?»
«Sie machen sich so schnell vom Acker, wie Ihre süßen kleinen Beine Sie tragen.»
«Was ist mit der Frau? Fuchsia? Nachsorge?»
«Oh, ja.»
Meditative Stille breitete sich aus. Sie stellte sich vor, wie er auf seine sich auflösenden Slipper blickte, deren Gummisohlen am Rand des Feuers vor sich hin dampften.
«Sie müssen das voneinander trennen», sagte er schließlich. «Wenn im Haus nichts ist, was das Ganze stützt, haben Sie es tatsächlich mit einem anderen Problem zu tun. Sie sagten, sie ist Waise?»
«Sie ist von ihrer Mutter verlassen worden. Sie hat mit Sicherheit persönliche Probleme gehabt. Vielleicht bringt das Haus diese Probleme zum Vorschein.»
«Möglich. Wie war die Segnung?»
«Eigenartig. Die übliche Erleichterung danach hat sich nicht eingestellt. Sie hat sogar aufgesehen, als wäre uns womöglich irgendetwas in die Kirche gefolgt. Hat so was gesagt wie,
kommt da jemand
? Irgend so was. Und gelacht hat sie. Ich meine, das ist immer ein Problem, nicht? Man kann nie sicher sein, ob einen jemand bloß veräppelt.»
«Schließen Sie sie in Ihre Gebete ein, wenn Sie die Reinigung vornehmen. Da hat sich irgendwas unter dem Teppich bewegt, sagten Sie?»
«Unter den Abdeckplanen. Ich schätze, ein Therapeut würde von Dämonen ihrer Vergangenheit sprechen, die sie vorher verdrängt hatte. Vielleicht hat sie einfach eine lebhafte Phantasie: die Bewegung unter der Plane, das Gesicht aus zerknittertem Leinen. Sie hat wohl auch ziemlich viel über Heilungen und spirituelle Grenzfragen gelesen, denn sie wusste genau, was sie –»
«Moment … sagen Sie das noch mal.»
«Was?»
«Zerknittertes Leinen. Ein
Gesicht
aus zerknittertem Leinen?»
«Das ist das Bild, das Fuchsia angeblich gesehen hat, als sie sich umgedreht hat, während sie die Wand verputzte. Poetisch, auf makabre Weise. Obwohl es in dem Fall zerknittertes Plastik gewesen wäre.»
«Hm. Sehr literarisch», sagte Huw. «Allerdings wenig überraschend. Es ist ein Zitat.»
«Was?»
«M. R. James. Autor klassischer Geistergeschichten, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.»
«Ja, ich weiß, wer M. R. James ist.»
«Ich kann Ihnen sogar sagen, aus welcher Erzählung das stammt.»
«Wollen Sie damit –»
«Es geht um einen Professor, der von einer bösartigen Wesenheit verfolgt wird, die … Wenn ich Sie wäre, würd ich mir schleunigst das Buch besorgen.»
«Sie wollen sagen …»
Unter Fuchsias Büchern im Wohnmobil war eins mit Erzählungen von M. R. James gewesen. Orangefarbener Rücken, auf dem Brett neben dem Ofen.
Geistergeschichten eines Antiquars.
«Alles in Ordnung, junge Frau?»
«Nur, damit ich das ganz richtig verstehe: Sie wollen sagen, es ist ein Satz, der aus einer von M. R. James’ Geistergeschichten stammt?»
Merrily ließ ihre Zigarette in den Aschenbecher fallen und legte beide Hände um den Hörer des alten Telefons.
Ach du Scheiße.
«
Ziemlicher
Zufall, nicht? Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, die Erzählung zu finden, rufen Sie an, und ich scanne die Seiten ein und maile sie rüber.»
«Ja. Danke, Huw.»
Mist.
Merrily legte den Hörer sehr sanft auf die Gabel. Sie blickte im dunklen Fenster ihr Spiegelbild an und sah eine nur allzu bekannte Leere.
8 Nicht ketzerisch werden
Dieser Job …
Wenn die Leute hörten, was man machte, stellten sie sich entweihte Gräber vor, Kelche voll Blut, nächtelange
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