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Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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hin.
    «Los – versuchen Sie es. Sie werden sehen, was passiert.»
    Jane sah Merrily an.
    «Das wäre nicht fair», sagte Merrily.

17 Die Kaminecke
    Ungefähr ein Jahr bevor sie nach Ledwardine gezogen war, hatte Merrily bei der Beerdigung einer jüngeren Frau assistiert, der Frau eines Schulleiters, die psychische Probleme gehabt hatte. Es war wahrscheinlich Selbstmord gewesen, aber ein freundlicher Leichenbeschauer hatte es als Unfalltod durchgehen lassen.
    Das war in Liverpool gewesen, wo sie als Vikarin angestellt war, und es hatte einen offenen Sarg gegeben, nach amerikanischer Sitte. Das hatte Merrily beunruhigt, und die Tatsache, dass es sie beunruhigte, war ihrerseits besorgniserregend. War sie zimperlich? Unreif? Sicher war es gut, mit dem Tod so offen wie möglich umzugehen. Es nahm einem die Angst. Berühre eine Leiche, und du wirst nie wieder Angst haben.
    Sie haben es geschafft, dass sie ganz ruhig aussieht
, hatte der Ehemann gesagt
. Nach all ihrem Leiden und ihrer Verwirrung möchte ich, dass jeder sieht, wie gefasst sie aussieht.
    Gefasst, ja. Wie eine teure Puppe in einem weiß gepolsterten Geschenkkarton. Wie eine edle Werbeanzeige für die Kunst des Einbalsamierens, aber man konnte nicht glauben, dass jemals Leben in ihr gewesen war.
    Das
war das Problem: die Betonung der Endgültigkeit des Todes, die Auslöschung des Geistes, das bleibende Bild des gerade Verstorbenen in einem ewigen, steifen Schlaf. Was war mit dem Versprechen der Freiheit, der
Kraft der Erlösung?
    Merrily stand in den Ruinen der Veranda des Meisterhauses, den großen, rostbraunen Schlüssel in der Hand, und war immer noch unentschlossen, was sie angesichts der öffentlichen Zurschaustellung der Sterblichkeit empfand. Aber eins war sicher: Ein einziges unheimliches Erlebnis in der Kindheit dürfte kaum ausreichen, um jemanden, der vom Leben so abgehärtet war wie Mrs. Morningwood, ein halbes Jahrhundert lang fernzuhalten.
    «Komisch, das mit dem Hund», sagte Jane.
    «Vielleicht.»
    «Glaubst du, sie hat dich veräppelt? Du hättest das Angebot ja annehmen und mit ihm hierhergehen können.»
    «Das hätte gar nichts bewiesen. Die meisten Hunde mögen es nicht, plötzlich an der Leine von ihren Besitzern weggeführt zu werden. Vielleicht wusste sie, wie er reagieren würde.»
    «Echt …» Jane sah sie finster an. «Du bist den Leuten gegenüber immer so
misstrauisch
. Ist das gut bei einer Pfarrerin? Ich meine, ich mochte sie.»
    «Ich mochte sie
auch
, aber ich bin nicht sicher, wie weit ich ihr trauen kann. Jeder verfolgt irgendwelche Absichten, und sie hat das geplant. Es gab Dinge, die sie mich wissen lassen wollte. Das
macht
misstrauisch.»
    «Und das als Christin.»
    «Ja, es ist traurig.»
    Die Luft im Tal färbte sich in der Dämmerung bereits violett, die zwitschernden Vögel zogen sich in die Bäume zurück. Zwei Spatzen flogen aus der Dachrinne. Merrily betrachtete die Eichentür.
    «Man fragt sich, warum diese Gwilyms es zurückhaben wollten», sagte Jane. «Es wird ein Vermögen kosten, es auch nur notdürftig instand zu setzen.»
    «Ich kann das verstehen – wenn es seit ewigen Zeiten der Familiensitz ist. Und wenn diesem Sycharth das
Centurion
gehört, dann hat er sicher das nötige Geld.»
    Von nahem wirkte das Haus schwerfälliger, weniger angreifbar, ein paar der Sockelsteine sahen aus wie Findlinge.
    «Also, diese Gwilyms müssen ernsthaft angepisst sein wegen der Newtons oder der Grays oder wer auch immer hinter ihrem Rücken mit den Leuten von Charles dieses Geschäft gemacht hat.»
    «Sie sitzen schließlich auf der anderen Seite des Flusses und müssen zusehen, wie ihr alter Hof renoviert wird. Und zur Sache eines anderen wird.»
    «Gibt es
irgend
eine Chance, dass sie es jemals zurückkaufen können?»
    «Auszuschließen ist das nicht, Spatz. Das Herzogtum ist wie ein Unternehmen, sie kaufen und verkaufen Grundbesitz. Wenn es nicht rentabel ist, verkaufen sie es vielleicht weiter. Und den bestmöglichen Start hatte das Projekt ja nicht gerade.»
    Es war, als würde sie in ein Wespennest stechen. Wieder einmal. Wie einflussreich war Sycharth Gwilym in Hereford? Hatte Felix Barlow jemals für die Gwilyms gearbeitet? War Felix irgendwie bestochen worden? O.k., das schien unwahrscheinlich, aber …
Gott
, wem konnte man wirklich trauen? Wem konnte man
überhaupt
trauen?
    «Also», sagte Jane. «Gehen wir rein?»
    «Vielleicht lieber nicht.» Merrily runzelte die Stirn. «Ich kann mich nicht einfach

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