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Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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zu Bliss herzustellen, aber er reagierte nicht; und er wirkte nicht gerade glücklich. Sie spürte die Spannung in ihrem Magen, hart wie ein Golfball.
    Jonathan Long – dessen Rang nicht erwähnt worden war – schien mehrere Jahre jünger als Bliss zu sein, vielleicht Anfang dreißig. Er sah nicht wie ein Polizist aus, vielleicht wie ein junger Akademiker, ein Dozent, der eine trockene und exakte Wissenschaft lehrte, wie Jura oder Wirtschaft. Er wurde langsam dick und trug einen dunkelgrauen Dreiteiler. Ein Polizist mit Weste war heutzutage selten, einen
jungen
Polizisten mit Weste hatte Merrily überhaupt noch nie gesehen.
    «Wie ich höre, kennen Sie Francis schon ziemlich lange», sagte Long.
    «Sehr lange. Damals hatte er noch eine richtige Mähne auf dem Kopf.»
    Long lächelte nicht. Bliss auch nicht.
    «Wir hatten gehofft, Mrs. Watkins, dass Sie einige Ihrer Einschätzungen mit uns teilen.»
    Longs Akzent klang nach höherer Bildung; es schien unwahrscheinlich, dass er während seiner Berufslaufbahn viel Zeit damit verbracht hatte, Crackpfeifen zu konfiszieren oder Säufer in Polizeitransporter zu schieben. Außerdem schien es unwahrscheinlich, dass er sich als Angehöriger des Geheimdienstes ausweisen würde.
    «Welche Einschätzungen, Mr. Long?» Sie setzte sich den beiden gegenüber. «In Bezug auf Theologie? Zeitgenössische Musik?»
    «Insbesondere in Bezug auf Fuchsia Mary Linden.» Long beäugte seinen Kaffee. «Sie haben nicht zufällig Sahne?»
    «Ähm … nein, tut mir leid.» Okay, die Spielstunde war vorbei. «Sie haben sie gefunden, oder?»
    «Ja», sagte Bliss. «Wir haben sie gefunden. Wir
glauben
jedenfalls, dass wir sie gefunden haben.»
    Seine sonst so mutwilligen Augen waren stumpf wie Pennys. Plötzlich fiel Sonnenlicht durch das höchste Küchenfenster wie ein Spritzer kalter Milch.
    «Wir warten noch auf den Dentalbericht», sagte Jonathan Long. «Aber es ist unwahrscheinlich, dass es jemand anders ist.»

22 Perlen zusammensuchen
    Hatte sie es, auf irgendeiner Ebene, womöglich erwartet? Hatte sie, als sie gestern Abend Felix’ Leiche gesehen hatte, wie einen Haufen Bauschutt vor der eigenen Tür, schon geahnt, dass dies nur die Hälfte der Tragödie war?
    Ich wusste nicht, ob es mich loswerden oder mich töten wollte, Merrily.
    Ein Zug fuhr in der Ferne ratternd durch die Nacht. Merrilys Kaffee wurde kalt, während der Horror in kurzen, Übelkeit erregenden Wellen zu ihr vordrang.
    «Die Strecke Richtung Süden, über Newport nach London.» Die Stimme Jonathan Longs klang unbeschwert und sachlich, als lese er einen Fahrplan vor. «Kaum einen Kilometer von einem Bahnübergang, der wohl
Tram Inn
genannt wird.»
    «Hinter dem großen Futterplatz, bei den Silos», sagte Bliss.
    Die Bedeutung des Ganzen stürzte sich auf Merrily wie ein Stein, der durch die Windschutzscheibe brach. Sie schob ihren Stuhl zurück, er kreischte über die Steinfliesen.
    «Sie hat ihren Kopf auf …»
    «Auf das Gleis gelegt», sagte Bliss. «Ich weiß auch nicht, wie Menschen so etwas tun können. Sie denken nur daran, wie der Zug unaufhaltsam auf sie zurast. Das arme Schwein von Lokführer ist ihnen egal.»
    Beschütze sie, im Namen aller Engel und Heiligen des Himmels. Behüte ihre Seele Tag und Nacht.
    «Das wussten Sie gestern Abend schon, oder?» Merrily starrte ihn an. «Sie wussten es, als wir vor dem Wohnmobil standen.»
    Das Wort seltsam … würden wir anderen dazu möglicherweise sagen, sie hatte einen an der Waffel?
    «Sehen Sie mich nicht so an, Merrily. Wir wussten nur, dass eine Frau vom Zug überfahren worden war, das war alles. Was wissen Sie über sie?»
    «Nicht viel. Aber anscheinend weiß niemand viel über sie.»
    «Wir haben die Namen der Adoptiveltern, aber wir haben noch nicht mit ihnen gesprochen.»
    «Haben Sie sie denn schon gefunden?»
    «Ich – wir haben jemanden, der sich darum kümmert.»
    Merrily erzählte ihnen von Fuchsias Mutter und Tepee City.
    «Wie haben Sie sie identifiziert?»
    «Sie hatte Autoschlüssel in der Tasche. Neben dem
Tram Inn
war ein Wagen geparkt, der auf Felix Barlow angemeldet ist.»
    «Tepee City», sagte Long. «Das liegt in Wales, oder, Mrs. Watkins? Dort spricht man walisisch.»
    «Ja. Warum?»
    «Da herrscht ein ziemlich altmodischer walisischer Nationalismus, soweit ich weiß.»
    «Aber nicht in Tepee City selbst, glaube ich. In alternativen Kommunen leben normalerweise Leute von außerhalb. Worauf wollen Sie hinaus?»
    Als würde er ihr

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