Das Gespinst des Bösen
ist.»
Jane dachte darüber nach. Sie hatte es so verstanden, dass der Erzdiakon so etwas wie der Stabschef des Bischofs war, der Personalchef der Diözese. Er – oder sie – organisierte die Pfarrer.
«Ist der Erzdiakon nicht dafür zuständig, Pfarrer, die pensioniert werden oder ein Burnout haben, nicht zu ersetzen, damit ihr restlichen pro Kopf siebzehn Gemeinden zu betreuen habt?»
«So ungefähr.» Mom lachte nicht mehr. «Es heißt – sagt Sophie –, dass Siân Erzdiakon Neale einen Monat lang begleitet und die Zeit dafür nutzt, eine neue Strategie zu erarbeiten, wie man in der Diözese rationalisieren kann. Ich weiß schon eine ganze Weile, dass mich das auch betreffen kann.»
«Aber du
kannst
nein sagen, wenn du mehr Gemeinden übernehmen sollst, oder?»
«Ich kann. Aber ich habe einen Fünfjahresvertrag, der womöglich nicht verlängert wird, wenn ich dem, was sie mir vorschlagen, nicht zustimme. Man kommt nicht um die Tatsache herum, dass ich eine der sehr wenigen bin, die nur eine Gemeinde haben. Weil ich außerdem für die spirituellen Grenzfragen zuständig bin.»
«Sie will rausfinden, wie sie aus dir die Pfarrerin für das ganze nördliche Herefordshire machen kann plus das südliche Shropshire, sodass dir keine Zeit mehr für die spirituellen Grenzfragen bleibt, oder?»
«Wer weiß?»
«Du klingst, als wäre dir das egal.»
«Was soll ich denn dagegen machen? Siân war schon immer der Meinung, dass dafür ein ganzes Team zuständig sein sollte. Eine ziemlich große Anzahl von Geistlichen mit rudimentärer Ausbildung, was Heilung und spirituelle Grenzfragen angeht. Es ist, als würde nur ein gewisser Prozentsatz der Polizisten im Schusswaffengebrauch ausgebildet – dummer Vergleich, aber ein anderer fällt mir nicht ein.»
«Und du …» Jane war bestürzt. «… du willst dich dem wirklich fügen?»
«
Ich
glaube, zu viele bewaffnete Polizisten können gefährlich sein. Besser, man hat nur ein paar, und die wissen, wann sie lieber nicht schießen. Außerdem bin ich nicht als Beraterin für spirituelle Grenzfragen ordiniert worden.»
«Du bist gut darin. Ganz egal, ob du das selbst auch findest.»
«Vielleicht ist das ja alles nur Theorie. Womöglich wird sie gar nicht Erzdiakonin. Und in ein paar Tagen kann sie hier nichts ausrichten.»
«Glaubst du?»
«Bleib einfach cool, verschwinde in dein Apartment, füttere die Katze und lass dich auf keinen Streit ein.»
«
Ich?
Streit?»
«Bitte.»
«Ich versuche, sie mir nicht zur Feindin zu machen. Aber ich werde sie im Auge behalten.»
«Mach es einfach nicht zu offensichtlich.»
«Diskretion ist mein zweiter Vorname.»
Mom lächelte dieses schwache Wenn-es-doch-nur-so-wäre-Lächeln. Ihr Gesicht wirkte eingefallen, fleckig.
«Weißt du was?», sagte Jane. «Du solltest nicht nach Garway fahren, du solltest zum Arzt gehen.»
«Mit mir ist alles in Ordnung.»
«Hast du dich mal angeguckt?»
«Ich muss einfach mal eine Nacht gut schlafen.»
«Nein, du willst Kent Asprey nur nicht die Befriedigung verschaffen, dich ihm auszuliefern.»
«Ich bin
okay
. Wahrscheinlich ist es so ein Vierundzwanzig-Stunden-Infekt. Warum reitest du da so drauf rum?»
«Gestern ging es dir auch nicht gut.» Jane nahm ihre Tasche, stellte sie auf den Schreibtisch und zog den Reißverschluss auf. «Tut mir echt leid, aber das hier wird wohl auch nicht dazu beitragen, dass du besser schläfst.»
Mom erstarrte.
«Was hast du gemacht?»
«Nein, ich hab nichts … Ich hab mit Robbie Williams gesprochen. Das ist mein Geschichtslehrer.»
«Das weiß ich.»
«Er ist Mittelalterspezialist und weiß eine Menge über die Kreuzzüge und die Tempelritter.»
«Jane, du hast doch nicht –»
«Ich hab kein Wort über dich gesagt. Ich hab nur gesagt, dass ich in Garway war und mich das interessiert. Jedenfalls hab ich ihn dann auch nach dem Grünen Mann gefragt, und er hat gesagt, dass der in der Kirche von Garway etwas … anderes darstellt.»
Jane holte ihre Plastikmappe hervor und schlug sie auf. Darin war alles, was sie ausgedruckt hatte.
Aus irgendeinem Grund – Murphy’s Law – war als Erstes ausgerechnet der barbarische Stich von der dunklen, teuflischen Figur mit Ziegenkopf, zwei Hufen, weiblichen Brüsten und den Flügeln zu sehen, die auf dem Kopf zwischen den Hörnern eine brennende Kerze trug.
Und Mom rief aus: «Oh, um Himmels
willen …
»
26 Vogelscheuche für das gemeine Volk
Ein Bild, das vor kalkulierter Perversion
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