Das Gespinst des Bösen
irgendwie zweideutig gemeint hat. Ich glaube, er wollte damit sagen, dass ich mich in etwas verheddere, dass es nirgendwo hinführt. Und jetzt kommst du nach Hause und erzählst mir das alles, und oben ist die heilige Siân …»
Merrily war so müde, dass es fast weh tat. Huw hatte wahrscheinlich recht: das Flämmchen austreten, weggehen, und wenn man Glück hatte, flackerte es nicht noch mal auf, solange man lebte.
«Mom, nur eine Sache noch. Jacques de Molay?»
«Der letzte Großmeister der Tempelritter.»
«Da ist ein Kupferstich mit seinem Bild. Hier, guck mal. Er sieht ein bisschen aus wie Baphomet, oder?»
Merrily betrachtete die Figur mit dem Kreuz auf dem Wappenrock. Würdevoll, aber aufsässig. Che Guevara. Oder einfach wie der Stille aus irgendeiner Folk-Band der Siebziger.
«Wurde er nicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt?»
Jane nickte. «Nachdem er sich geweigert hat, sich zu Sodomie, Gotteslästerung und dem ganzen Rest zu bekennen. Die meisten anderen, die gefangen genommen wurden, haben sich dazu bekannt, nachdem sie eingeschüchtert und gefoltert worden waren. De Molay dagegen hat bis zum Ende darauf bestanden, dass er ein guter Christ war. Aber – stell dir das mal vor – ehe er in Flammen aufging, hat er gesagt, dass Gott ihn rächen werde. Er sagte, der Papst und der König von Frankreich könnten davon ausgehen, ihn in nicht allzu langer Zeit wiederzusehen.»
«Ich weiß. De Molays Fluch. Worauf willst du hinaus, Jane?»
«Der König und der Papst haben kein Jahr mehr gelebt. Und Jacques de Molay ist zu einer Kultfigur geworden.»
«Ja.»
«Da gab es doch diesen Typen in der Französischen Revolution», sagte Jane. «Und als Ludwig XVI . unter der Guillotine starb, hat er so was gesagt wie,
Das ist für Jacques de Molay.
»
Merrily glaubte Schritte auf der Treppe zu hören und stand auf. Einen Moment lang war ihr leicht schwindelig.
«Ich zeige Siân wohl besser mal das Haus.»
«Warte», sagte Jane, «das Wichtigste habe ich dir doch noch gar nicht
erzählt
.»
«Tut mir leid, aber –»
«Und das ist jetzt keine Vermutung oder Legende oder so. Das ist offizielle Geschichte. Ich glaub, es war 1294 .»
«O.k.», sagte Merrily, die Hand auf der Klinke. «Was war 1294 ?»
«Das war das Jahr, in dem Jacques de Molay nach Garway kam», sagte Jane.
27 Bev und Rev
Beverley Murray führte sie zu einem Tisch am Fenster der weiß getünchten ehemaligen Molkerei und sah Teddy über den Tisch hinweg an. Man konnte förmlich spüren, wie sich das Thema, das in der Luft lag, zwischen ihnen wieder entzündete.
Dann ging Beverley zurück zu dem Tablett mit dem Besteck und Teddy sagte: «Es wäre wohl vernünftig, diskret damit umzugehen. Diskretion ist das Wichtigste.»
«Wann war denn jemals –» Beverley klapperte lauter als nötig mit dem Besteck. «Wann war denn hier
jemals
irgendwer diskret? Manchmal denke ich, dass dieser verdammte Antennenmast alles aufnimmt, was wir sagen, und es in jedes einzelne Wohnzimmer sendet.»
«In diesem Fall muss Merrily die Angelegenheit in trockenen Tüchern haben, ehe es allzu viele Leute mitbekommen.»
Mit ‹zu viele Leute› meinte Teddy vermutlich die Sonderlinge, die nächstes Wochenende in Garway einfallen würden, um an dem Gedenkgottesdienst für die Tempelritter teilzunehmen.
«Ich mache, so schnell ich kann.» Merrily fühlte sich einer Auseinandersetzung nicht gewachsen. «Sobald mir klar ist, womit wir es zu tun haben.»
Sollte heißen:
Ihr müsst mir dabei helfen.
Teddy rang sich ein widerwilliges Lachen ab.
«Merrily ist um ihren Job wirklich nicht zu beneiden. Zu viele Fallstricke.»
«Wenn es in der Gemeinde irgendeine Krise gibt, geht Teddy meistens ein bisschen spazieren», sagte Beverley.
Sie war etwa zehn Jahre jünger als Teddy, eine dieser lebhaften, tatkräftigen, kurzhaarigen Blondinen, die man in dieser Gegend genauso häufig sah wie den Golden Retriever. Ihr Bauernhaus stammte aus dem achtzehnten Jahrhundert, ein Block aus sonnenverbrannten Steinen, der ein paar hundert Meter jenseits der Kirche am Hügel lag, drum herum verfallene Außengebäude.
The Ridge: Dinner, Bed & Breakfast. Wanderer willkommen.
Zwei öffentliche Fußwege kreuzten sich unterhalb einer Terrasse mit Tischen und grünen und gelben Sonnenschirmen.
«Balsam für die Seele, diese Landschaft.» Teddy trug dicke Socken und hielt seine Wanderstiefel noch an den Schnürsenkeln in der Hand. «Sie werden es bald selbst spüren, Merrily. Runzeln
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