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Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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triefte. Wenn man es mit Blut an die Wand malte, in einer verlassenen Gruft: der Teufel, der Antichrist, die Bestie 666 . Der älteste Feind.
    Und natürlich hatte es, unvermeidlich, die kleine Jane mit ins Pfarrhaus gebracht.
    Merrilys erster Impuls war, es zu bedecken, das Mousepad daraufzulegen, es wegzutun, aber das hätte bedeutet, ihm in die … Hufe zu spielen.
    Siân sollte es nicht sehen. Siân, deren Oberlippe sich vor Abneigung kräuseln würde – kein Abscheu, kein nervöses Fummeln am Brustkreuz, einfach
Abneigung
gegen das
Mittelalterliche
daran.
    Nur war es gar nicht mittelalterlich. Wahrscheinlich neunzehntes Jahrhundert.
    Merrily lehnte die Plastikmappe gegen den Computer und betrachtete das schmierige Grinsen der Ziege/des Mannes/der Frau/des Dämons. Das Gesicht gelangweilter Dekadenz. Das zu sagen schien:
Sieh mich an, ich bin so pervers und teuflisch, gib zu, dass du das liebst.
    Die rote und schwarze Druckertinte war ineinandergelaufen, wodurch das Bild sogar noch perverser aussah. Nach Blut und Lippenstift.
    «Der Drucker ist alt», sagte Jane, «und wahrscheinlich hab ich das Blatt zu schnell rausgezogen. Man muss aufpassen, was man runterlädt, Morrell macht morgens manchmal eine Razzia. Na ja, das ist jedenfalls das Werk von Eliphas Levi. Von dem hast du doch schon mal gehört, oder?»
    «Gehört?» Merrily sah Jane müde an. «Spatz, ich hab seine Jeans getragen.»
    Jane starrte sie an. Merrily lächelte halbherzig.
    «Entschuldige. Ja, ich habe von ihm gehört. Französischer Okkultist, spätes neunzehntes Jahrhundert oder so, der unter seinem richtigen Namen ordinierter Priester war. Obwohl er und die katholische Kirche sich zunehmend entfremdet haben – was nicht gerade besser wurde dadurch, dass er mit einer Sechzehnjährigen durchgebrannt ist. Wie Aleister Crowley, der sich für seine Reinkarnation gehalten hat, wollte er eigentlich ein Rockstar sein, aber unglücklicherweise wurde die Rockmusik erst ein Jahrhundert später erfunden.»
    «Ich hasse es, wenn du so bist», sagte Jane. «Obwohl mir klar ist, dass du dich damit im Grunde nur vor diesem Dreck schützen willst.»
    Merrily sah, wie dick die Mappe war. Jane musste ziemlich lange gebraucht haben, um das alles zusammenzusammeln.
    «Tut mir leid. Du hast eine Menge Mühe gehabt. Und das ist wirklich eine Richtung, in die ich nicht gedacht hätte. Levi und Crowley standen, wenn ich mich richtig erinnere, zeitweise beide in der Tradition der Tempelritter, zumindest haben sie das selbst so gesehen.»
    «Wenn du das alles schon weißt, hab ich meine Zeit verschwendet.»
    Jane ließ die Kopie des Stichs fallen und sah ziemlich verletzt aus. Merrily seufzte.
    «Ich hab wahrscheinlich das meiste vergessen. Erzähl.»
    «Diese Frau kommt bestimmt gleich runter.»
    «Nein, tut sie nicht. Sie wird uns etwas Zeit zum Reden geben, ehe ich fahre.»
     
    Es war so: 1307 , nachdem die Kreuzzüge abgehakt waren, gab die Arme Ritterschaft Christi und des Salomonischen Tempels nicht mal mehr vor, arm zu sein. Es waren multinationale Banker, reich, mächtig, verschwiegen und respekteinflößend.
    Die Hüter zu vieler Geheimnisse – Janes Ansicht nach, aber für orthodoxe Historiker bedrohten sie schlicht die französische Monarchie. Und den Papst. Diesen Papst jedenfalls, Clemens V., der in Avignon saß und damit unter dem Schutz des französischen Königs Philip  IV . stand. Ein Marionettenpapst.
    Jane redete, und Merrilys Erinnerungen kamen wieder.
    Wie die Liste mit den Vorwürfen, die man den Tempelrittern machte, zustande gekommen war, konnte niemand so genau sagen, aber sie war vernichtend: Sie leugneten Gott, sie glaubten nicht an die heilige Messe, sie praktizierten Sodomie und tauschten obszöne Küsse aus, um in den Orden aufgenommen zu werden. Ihnen wurde beigebracht, dass der Ordensmeister – keiner von ihnen war ordinierter Priester – sie von ihren Sünden freisprechen könne.
    Und sie verehrten diesen bärtigen Kopf, der als Baphomet bekannt wurde. Mr. Williams hatte Jane gesagt, dass der Name in manchen Quellen als Verballhornung von Mohammed bezeichnet wurde, aber Merrily erinnerte sich vage an andere Deutungen.
    «Das war ziemlich clever», sagte Jane. «Wenn man sich die Vorwürfe genauer ansieht, sieht man, woher einige davon stammen.»
    «Ja, ich weiß. Die Leugnung Gottes könnte bedeuten, dass sie einfach die
Göttlichkeit
von Jesus leugneten, weil sie angeblich die sogenannte Wahrheit kannten: dass er starb und

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