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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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stammen müssen.
    Als er nach Essen rief, verspürte Balduin erneut Hunger, doch der Geruch nach verbranntem Fleisch, der alsbald in seine Nase zog, ließ ihm den Appetit vollends vergehen.
    »Wie kann die Königin zulassen, dass der Hof so verwahrlost?«, fragte er Judith in einem Moment, da Lothar sich von ihnen abgewandt hatte.
    »Glaub mir«, gab Judith zurück, »die Königin – oder was immer sie sein mag – hat ganz andere Sorgen.«
    Balduin runzelte die Stirne. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er mit Judith niemals über Lothars Frau gesprochen, sondern einfach vorausgesetzt hatte, dass es eine gäbe, die, wie es ihre vorrangige Pflicht war, für den Prunk und Glanz der Hofhaltung bürgte.
    »Andere Sorgen?«, fragte er. »Aber …«
    Er konnte seinen Satz nicht vollenden, denn eben hatte Lothar seinen Sohn auf den Boden gesetzt – wo dieser in munteren Bocksprüngen den gleichen Hunger nach Bewegung bekundete, wie er auch in den Gliedern seines Vaters steckte – und wandte sich nun wieder seinen beiden Gästen zu.
    »Ich bitte euch, Waltradas Abwesenheit zu entschuldigen«, meinte er. Er klang freundlich wie zuvor, doch seine Augen wichen Judith aus. »Sie fühlt sich nicht sonderlich gut«, setzte er hinzu.
    Judith nickte wortlos, nur Balduin konnte sich nicht enthalten zu fragen: »Eure Gattin heißt Waltrada? Ist sie krank?«
    Er missachtete Judiths mahnenden Blick, den sie ihm zuwarf.
    »Sie ist nicht einfach nur krank. Man hat sie krank gemacht«, erklärte Lothar knapp, als wäre damit alles gesagt, und fasste nach seinem Sohn, um ihn zur Tafel zu führen.
    Erst jetzt fühlte Balduin die vielen Blicke, die auf sie gerichtet waren.
    Gerade bei den Mönchen und Priestern, die abwartend herumstanden, konnte er die Feindseligkeit nahezu riechen. Sie erstaunte ihn nicht, hatte sich doch ihre Exkommunikation gewiss bis hierhin herumgesprochen. Doch als er ihren Blicken folgte, gewahrte er, dass sie nicht Judith und ihm galten, sondern König Lothar selbst. Jener wiederum lief an dem Klerus mit erhobener Nase vorbei, als gäbe es ihn nicht.
    Doch das war nicht alles, was Balduin zutiefst verwirrte. Am Ende des Saals stand nun eine nobel gekleidete Frau auf – eben noch hatte sie steif und hoheitsvoll dagesessen –, die sich hasserfüllt an den König wandte. Ihre feine, melodische Stimme gab Kunde von hoher Geburt und guter Erziehung, doch der Inhalt ihrer Worte war weniger vornehm: »Mögt Ihr auch den Blick aller anderen Widersacher meiden«, erklärte sie schneidend »wagt nicht, durch mich hindurchzusehen!«
    Lothar fuhr herum, sein Gesicht rötete sich leicht.
    »Schweigt, Landina!«, entfuhr es ihm.
    Der kleine Hugo, der trotz seines Bewegungshungers artig an seiner Seite gegangen war, presste sich mit gequältem Gesicht an des Vaters Beine und blickte ängstlich hoch.
    Auch Balduin starrte nun gebannt auf die Szene.
    »Ihr könnt gerne versuchen, mich gewaltsam zum Schweigen zu bringen, mein König«, fuhr die Frau fort, »aber Euer frommes, gutes Weib Theuteberga lässt sich nicht gleichfalls …«
    »Was für ein Unsinn!«, polterte Lothar voller überdruss los. »Sie wäre längst im Kloster glücklich, wenn ihr sie nicht alle aufhetzen würdet!«
    »Wir handeln gewiss nicht aus eigenem Interesse! Wir tun’s, weil wir die Einzigen sind, die hier offenbar Gottes Gebote aufrechterhalten!«
    Der kleine Hugo duckte sich immer tiefer. Lothar aber richtete sich drohend auf. »Ihr denkt, nur weil Ihr die Schwester eines Bischofs seid, dürft Ihr mir trotzen, Landina! Doch dies ist meine Pfalz, und was hier geschieht, bestimme ich!«
    »Dies ist vor allem der Ort, wo Eure rechtmäßige Gattin Theuteberga als Königin residieren sollte. Und solange Ihr es ihr verbietet, solange sie ein armseliges Leben fernab vom Hofe fristen muss, so lange werde ich für sie die Stellung halten. Ich werde nicht müde werden, aller Welt vor Augen zu halten, dass es sie nicht nur gibt, sie nicht nur darauf wartet, dass ihr Recht gegeben wird, sondern dass es gottlos ist, was Ihr hier treibt. Und ich weiß den Klerus auf meiner Seite …«
    »Ach was, die Priester scheren sich ganz gewiss nicht um Theuteberga. Sie sind einzig wütend auf mich, weil sie Angst haben, dass ihr Bischof Theutgaud seines Amtes enthoben wird.«
    »Und das aus gutem Grund – wagen er und sein Amtsbruder aus Köln doch, dem Papst selbst zuwiderzuhandeln!«
    Die letzten Worte glichen einem wütenden Fauchen.
    »Verschwindet!«, zischte Lothar.

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