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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Jahr, um den Beschluss zu bekräftigen. Aber Lothar hat nicht mit seinen königlichen Onkels gerechnet.«
    »Was haben denn dein Vater und König Ludovicus Germanicus damit zu tun?«, fragte Balduin.
    Judith zog ihre Augenbrauen hoch. »Glaub mir, wer sich in meiner Familie nur eine kleine Schwäche erlaubt, auf den hacken die anderen alsbald ein wie die Aasgeier. Sowohl mein Vater Karl, der ihn seit langem hasst, als auch mein Onkel Ludovicus, der ihn doch eigentlich bisher beschützt hat, haben sich ausgerechnet,dass sie Lothars Reich für sich beanspruchen könnten, sofern er ohne Erbe stürbe – und dies würde geschehen, falls er an der Ehe mit Theuteberga festhalten müsste und Hugo folglich nur sein illegitimer Sohn wäre.«
    »Aber ist es nicht Sache der Kirche, darüber zu entscheiden?«
    »Das sollte es sein. Doch wann wären die Männer der Kirche jemals unparteiisch, wann würden sie darauf verzichten, in jenem Kampf um Macht in vorderster Reihe mitzuwirken? Du kannst dir vorstellen, wer am lautesten gegen Lothar wetterte: niemand anderer als Hinkmar von Reims. Lothar wiederum sah das Unheil kommen und verkündete lautstark der ganzen Welt, warum er sich von Theuteberga getrennt habe. Nämlich nicht, weil jene keine Kinder bekomme, sondern weil sie – ein ungeheuerlicher Vorwurf – mit ihrem eigenen Bruder, Abt Hukbert, Unzucht getrieben habe. Sie habe es sogar zugegeben.«
    »Das hat sie tatsächlich getan?«
    »Die Großen des Reiches verlangten ein Gottesurteil. Und längst zermürbt von dem Kampf hat sich Theuteberga wohl gedacht, sie könne dieser schrecklichen Prozedur entgehen und sich in ein Kloster zurückziehen, wenn sie von sich aus ein Geständnis ablege.«
    Balduin nickte wissend. Er konnte verstehen, warum Theuteberga eine derartige Prüfung mied, fiel eine solche doch nicht selten grausam aus: Ein bewährtes Mittel, um zu einem Gottesurteil zu kommen, war, den Angeklagten mit dem nackten Arm einen Ring oder einen kleinen Stein aus einem Kessel mit kochendem Wasser holen zu lassen. Die verbrühte Hand wurde anschließend verbunden und versiegelt. Wenn nach einigen Tagen, da man den Verband wieder löste, die Wunde nicht eiterte, war die Probe bestanden – alles andere aber galt als Zeichen der Schuld.
    »Doch dann hat mein Vater, König Karl, Theuteberga zur Flucht überredet und sie in seinen Reichsteil holen lassen«, fuhr Judith fort. »Vor ihrem Mann in Sicherheit hat sie daraufhin ihr Geständnis widerrufen und an Papst Nikolaus appelliert, sichdoch für ihr Recht einzusetzen. Papst Nikolaus hat daraufhin eine Synode in Metz anberaumt, an der die Bischöfe Westfrankens, Ostfrankens und der Provence sowie zwei päpstliche Legaten teilnehmen sollten, um gemeinsam zu erklären, dass Lothar Waltrada zu verstoßen und Theuteberga wieder aufzunehmen habe. Mein Cousin Lothar freilich wollte sich nicht geschlagen geben. Er hat die beiden Legaten bestochen, woraufhin seine Ehe mit Theuteberga in Metz erneut für nichtig erklärt wurde. Der Papst war außer sich vor Wut. Es heißt, dass er demnächst den Erzbischof von Trier – jener gewisse Theutgaud, von dem Lothar zuvor sprach – und den von Köln nach Rom berufen wird, um sie zur Verantwortung zu ziehen. Gnade ihnen Gott ob dem, was ihnen dort blüht. Der Klerus hier fürchtet ihre Absetzung.«
    »Warum aber ist dem Papst so viel an Theuteberga gelegen?«
    »Ach, es ist ihm gewiss gleich, ob in Lothars Ehebett nun die eine oder die andere liegt. Jedoch will Nikolaus damit aller Welt bekunden, dass die Macht eines Papstes in vielen Fällen über der eines Königs liegt. Die Kirche allein könne über die Gültigkeit einer Ehe urteilen – niemand sonst. Gleiches bezweckt auch Hinkmar von Reims, wenn er sich einmischt – nämlich die Macht der Kirche zu beweisen und ergo seine eigene. Nicht selten erheben sich weltliche Herrscher über den Klerus, doch die Ehe und deren Unauflöslichkeit scheint ihm ein gutes Mittel, auf seinem Einfluss zu beharren.«
    Balduin schüttelte langsam den Kopf. »Es scheint mir doch sonderbar, dass Hinkmar von Reims unsere Ehe verdammt, an der von Theuteberga und Lothar aber festhält.«
    »Im Gegenteil! Das eine hat durchaus mit dem anderen zu tun, will er sich doch in beiden Fällen nicht das Recht nehmen lassen, über die Rechtmäßigkeit einer Ehe zu urteilen. Diese darf nicht im Ermessen der Laien liegen, wie wir es sind – oder im Ermessen des Königs.«
    Bei ihrem letzten Satz stieß Balduin sie an,

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