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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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sträubte. Der Junge tat es nicht heftig, schien gewohnt zu sein, die Ausbrüche der Mutter, die nun sein Gesicht mit Küssen übersäte, über sich ergehen zu lassen. Doch kaum war sie fertig und ließ ihn endlich los, schlug er seine Hände vors Gesicht, als könnte er sich solcherart unsichtbar machen.
    »Seht ihr!«, seufzte Waltrada verzweifelt und wich nun selbst vor dem Kind zurück. »Er mag mich gar nicht anschauen, niemand mag mich anschauen! Ich bin verflucht!«
    Lothar versuchte zu lächeln, doch Judith entging nicht, dass er seine Stirn in Falten zog. Die Zuneigung für seinen Sohn war echt und tief, doch der salzige Geruch, der über dem Gemach hing, und der ungepflegte, jämmerliche Zustand seiner Frau schienen ihn anzuwidern. Judith konnte nicht recht entscheiden, warum er versuchte, diese Regung zu unterdrücken: weil er sie vor seiner heimlichen Verachtung schützen wollte, oder weil er sich selbst, der er nun schon seit Monaten einen erbitterten Kampf um diese Ehe führte, nicht eingestehen wollte, dass es ihm längst nur mehr um seinen Sohn ging, nicht um sein Weib, das daran zugrunde zu gehen schien.
    Vorsichtig trat Judith näher und betrachtete Waltrada eingehend. Ihr Haar schien kräftig, aber farblos und strähnig. Ihr Gesicht war eigentlich so fein, dass es als hübsch hätte gelten können, wäre nicht dieser schreckhafte Ausdruck darin gestanden. Ihre Hände waren klein und formvollendet, jedoch nicht nur schmutzig, sondern gerötet, weil sie sie fortwährend aneinanderrieb.
    »Ich freue mich, dich zu sehen«, erklärte Judith. Sie versuchte, freundlich zu klingen, aber sie konnte das Mitleid nicht verbergen,ebenso wenig wie den Widerwillen, der anderen zu nahe zu kommen. »Ich bin Judith«, fuhr sie fort, »die Cousine deines Gatten, und ich bin hierher gekommen …«
    »Du bist auch auf der Flucht, nicht wahr? Ich habe von … euch gehört …«, Waltrada warf einen scheuen Seitenblick auf Balduin, wagte ihn aber ebenso wenig anzustarren wie den eigenen Gatten. »Die Männer der Kirche verfluchen euch – so wie sie mich verfluchen.«
    Der kleine Hugo trat unruhig auf und ab und hatte seine Hände immer noch vor das Gesicht gepresst. Anders als Waltrada schien Lothar sein Unbehagen zu bemerken, trat auf den Knaben zu und zog ihn an der Hand. »Ich lass euch alleine«, erklärte er und schien erleichtert, dass es einen Grund gab, dem Gemach zu entfliehen.
    Waltrada nickte betroffen und blickte den beiden ohnmächtig nach.
    »Siehst du«, sagte sie, wie sie es bereits zuvor schon einmal getan hatte, »siehst du! Er meidet mich! Warum kämpft Lothar für die Ehe, wenn er mich meidet? Und auch mein Sohn scheut mich. Nun, Cousine Judith also …«, hastig wechselte sie das Thema. »Du bist verflucht wie ich. Wie hältst du’s aus, damit zu leben?«
    Judith gewahrte, dass Balduin nicht minder unbehaglich auf derselben Stelle trat wie zuvor Hugo, und versuchte ihm einen beschwichtigenden Blick zuzuwerfen, auf dass er es ließe und die unruhige Frau nicht weiter aufwühle.
    Sie selbst konnte sich jedoch nicht überwinden, ihr beschwichtigend den Arm um die Schultern zu legen. Im Gegenteil: Sie machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Wenn ich daran verzweifelte – hätten sie dann nicht gewonnen?«, fragte sie ruhig.
    Waltradas Blick zuckte. »Sie haben doch immer schon gewonnen … die Männer«, erklärte sie, diesmal nicht ohnmächtig, sondern bitter. »Sie machen doch stets, was sie wollen, ganz gleich, ob es den Frauen wohl bekommt oder nicht.«
    Judith fragte sich, wen sie meinte – nur die Priester, die diese Ehe verurteilten, oder auch Lothar, der sie einst genommen, später verstoßen, dann wieder genommen hatte, wohl nicht wegen ihrer Anmut und Schönheit, sondern weil sie ihm einen Sohn geboren hatte.
    »Auch wenn es so wäre«, setzte Judith an, »was hilft es, obendrein verbittert zu sein?«
    Waltrada lachte auf, es klang schrill und spöttisch. »Verbittert zu sein oder nicht ist zumindest unsere Wahl, nicht wahr, und diese zu treffen ist doch schon mehr als nichts? Schau dich um hier, in diesem Gemach, in diesem Palast. Ja, schau mich an! Siehst du etwa eine schöne Frau? Nein, du siehst eine verbitterte! Und woran, glaubst du, liegt es, dass Lothar schon seit Monaten nicht mehr bei mir liegen will? Eben weil ich verbittert bin. Zumindest das liegt in meiner Macht – ihn zu verstoren. Ihm zu zeigen, wie sehr mir das alles zusetzt. Ihn nicht glauben zu lassen, er könnte

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