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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Balduin wehgetan haben, vertrieb ihren Schmerz.
    Wer seine Kinder zu sehr liebt, hatte der Pfarrer ihres Dorfs gewarnt, der gibt seine ganze Kraft dafür aus und tut nichts zur Rettung der eigenen Seele.
    Aber ihre Seele war nach allem, was sie sie erlebt und was sie getan hatte, doch ohnehin verloren. Warum sollte sie das Kindlein nicht lieben, mit ganzem Herzen und ganzer Kraft?
    »Bitte«, stammelte sie, und sie wusste, dass Balduin von diesem Tag an ihr Kind war. »Bitte … weine nicht! Du musst lächeln! Du darfst nicht aufhören zu lächeln.«

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IV. Kapitel
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    Sechs Jahre später
    Die Sonne prallte grell auf Balduins Gesicht und färbte es rot. Er konnte kaum die Augen offen halten, nicht nur wegen des Lichts, sondern auch vor unerträglicher Müdigkeit. Bis vor wenigen Tagen hatte er nicht gewusst, dass man so müde sein konnte, so erschöpft. Jede Faser seines Körpers lechzte danach, sich fallen zu lassen, und sei es auf den schlammigen Boden. Obwohl die Sonne derart unangenehm brannte, war die braune Erde noch nicht vom gestrigen Gewitter getrocknet. Bis zu seinen Unterschenkeln versank er darin, spürte, wie der Schlamm an den Rändern seiner Lederschuhe eindrang – eine feuchte, klebrige Masse, ebenso unangenehm wie der Schweiß auf seiner Stirn. Doch das war nichts gegen die unerträglichen Schmerzen in seinen Armen. Weit vor sich ausgestreckt musste er ein Schwert halten, das fast so groß war wie er und nicht minder schwer. Bei strengster Strafe war ihm untersagt, es sinken zu lassen. So er denn diese unmenschliche Aufgabe meisterte, es eine Stunde lang hochzuheben, sei ihm das schlechte Benehmen von gestern verziehen; würde er jedoch daran scheitern, träfe ihn die Peitsche.
    Balduin fühlte nicht nur die Arme schwer und schwerer werden, sondern obendrein einen unerträglichen Druck, der sich auf seine Brust senkte, von der Erschöpfung bedingt, aber auch von der maßlosen Enttäuschung. Er war betrogen worden! Man hatte ihm doch gesagt, es würde Spaß machen, endlich zum Mann ausgebildet zu werden! Johanna hatte ihm das gesagt, der Graf und auch Alpais, dessen Frau, obgleich sie in den letzten Jahren soschweigsam geworden war, dass manch einer meinte, sie würde den Mund nur noch zum Beten aufmachen. Doch zu ihm hatte sie sich vor einigen Monaten gebeugt, hatte zwar den üblichen Abstand gehalten – Balduin konnte sich nicht erinnern, dass sie ihn jemals berührt hätte –, aber ihn eindringlich gemustert.
    »Bald bist du groß genug für die Ausbildung. Freust du dich?«
    Er hatte ernsthaft genickt. Einerseits, weil sie es wohl erwartete und er dieser trotz ihrer Freundlichkeit immer auch ein wenig furchteinflößenden Frau nicht zuwiderhandeln wollte. Andererseits, weil er tatsächlich seinen siebten Geburtstag herbeisehnte. Bisher waren die Begegnungen mit der Männerwelt immer aufregend gewesen, vor allem, als er das erste Mal reiten durfte.
    Der Graf hatte ihn vor sich auf dem Pferd sitzen lassen, und die Welt war ihm dabei – von oben betrachtet – so riesig vorgekommen wie nie zuvor. Es war auch nicht schwer, den Anweisungen des Grafen zu folgen und seine Muskeln mal anzuspannen, mal zu lockern, genau so, wie es der Rhythmus des Trabens und später des Galopps vorgab.
    »Er wird einmal ein guter Reiter werden«, hatte der Graf später zu Johanna gesagt, und Balduin hätte vor Stolz platzen können. »Eine der ersten übungen, die er später wird vollbringen müssen, ist, vom Stand aus auf den Pferderücken zu springen –und ich weiß schon jetzt, dass es ihm mühelos gelingen wird.«
    Noch tagelang hatte Balduin gestrahlt, hatte es nicht erwarten können, wieder zu reiten. Wann immer er an seine bevorstehende Ausbildung dachte, stellte er sich vor, dass sie vor allem mit Pferden zu tun hätte, mit diesen stolzen Tieren, die nach Herbst rochen – nach kräftiger Erde, farbigen Blättern, saftigen äpfeln –und an deren glänzendem, gleichwohl etwas borstigem Fell er so gerne sein Gesicht rieb. Er liebte es, im Stall zu sein, und immer wenn er dort die Knechte sah, wie sie die Pferde striegelten und ihnen Hufe aus Weidengeflecht anlegten, stellte er sich vor, dass dies die Aufgabe sei, die ihn später auch als Krieger erwartete.
    Von wegen! Jetzt wusste er es besser!
    Balduin presste die Lippen aufeinander, um nicht laut zu ächzen.Der eine Arm wurde fast gefühllos, begann zu zittern. Obwohl er sämtliche Willensanstrengung darein legte, ihn oben zu halten, fühlte er, wie das

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