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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Wunibald und die weiteren Reisenden seine Hilfe nicht brauchten und sich von alleine verkrochen hatten – der Mönch puterrot im Gesicht, die Pilger aschfahl.
    Er verschwendete nicht lange seinen Blick an sie. Geduckt sprang er zurück auf den Pferderücken, und obwohl das Tier unruhig an den Zügeln zerrte, die Gefahr witterte und ihr auszuweichen suchte, trieb er seine Sporen schließlich so fest in die Flanken, dass das Pferd widerstrebend seinen Befehlen gehorchte.
    Auch diesmal folgte er keinem ausgeklügelten Plan, sondern der Ahnung, dass sie diesen Angriff nur heil überstehen konnten, wenn er sich direkt gegen den Feind richtete und ihn unschädlich machte. Er wusste nicht, welche übermacht er in den Tiefen der Wälder zu erwarten hatte; seine Hand hielt das Schwert so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden.
    Räuber, schoss es ihm durch den Kopf, gewiss waren es Räuber. Sie lauerten vor allem in Wäldern und am Ende von Engpässen. Ein Wunder, dass sie bislang davon verschont geblieben waren.
    Die Nadeln knirschten unter den Hufen; feuchte Erde sprengte in kleinen Klümpchen hoch. Da – eine Gestalt. Dahinter – schon ein zweiter Schatten.
    Kurz wähnte er das Dickicht als bedrohliche Falle. Anders als den gesichtslosen Angreifern war ihm dieses Fleckchen vollkommen fremd. Doch dann ergriff ein anderes Gefühl von ihm Besitz, verjagte sämtliche Furcht. Er hatte nicht geglaubt, dass es jemals wieder mit dieser Inbrunst durch seine Adern fließen könnte –nicht, seitdem sie damals dieses armselige Häufchen Normannen abgeschlachtet hatten –, und noch weniger hatte er damit gerechnet, dass er sich danach sehnen würde. Doch nun, da es ihn erfüllte, war es ein schmerzlich vermisster und gierig willkommen geheißener Rausch. Sämtliche Härchen richteten sich auf, sämtliche Sinne, das Riechen, das Hören, das Sehen, schienen wie aus einem langen Schlaf zu erwachen. Als erneut haarscharf einPfeil an seinem Kopf vorbeischoss und er sich eben noch ducken konnte, vergrößerte sich jene pochende Aufregung nur.
    Er trieb das Pferd weiter an, ließ es einen Haken schlagen und sprengte alsbald mitten in das Grüppchen, das die Pfeile auf sie regnen ließ. Schon war er nahe genug an einem der Männer, der erneut das Geschoss auf ihn richtete, und schlug mit dem Schwert den Pfeil in der Mitte entzwei. Noch in dieser Bewegung sprang er vom Pferd, hob das Schwert erneut und ließ es in die entgegengesetzte Richtung niedersausen, von der aus ihn ein weiterer Bogen bedrohte. Das Knirschen von Holz erfüllte seine Ohren, schien dort weiterzuhallen als stetiges Dröhnen.
    Sein Blick streifte das Gesicht von einem der Angreifer, das unglaublich hässlich war: In Italien wurde einem Dieb, so man ihn erfasste, zuerst ein Auge genommen, dann die Nase abgeschnitten, beim dritten Mal wurde er getötet. Diesen Mann hier hatte man zumindest zwei Mal erwischt. Sein Antlitz hatte wenig Menschliches, und in Balduin formte sich inmitten des Stolzes, dass er seinen Körper so vollkommen beherrschte, inmitten der Befriedigung, in seinem Kampf von niemandem gebremst zu werden, sämtliche Energien nutzen zu können, die so lange in ihm brach gelegen hatten, ja inmitten davon formte sich der Wille: Ich will ihn töten. Ich will sein Blut sehen.
    Er packte den Mann, der einen ganzen Kopf kleiner war als er, hielt ihn vor sich wie einen Schild und brüllte in den Wald: »Kommt nur! Versucht es doch! Ihr werdet alle unter meinem Schwert sterben!«
    Das Knacken im Gebüsch zeigte, dass die Angreifer nicht mit Mut gesegnet waren. Hinter schützenden Stämmen verborgen Pfeile abzufeuern war das eine – einem zornroten, großgewachsenen und todesverachtenden Krieger entgegenzutreten etwas anderes.
    »Nun, kommt schon!«, brüllte Balduin, fast enttäuscht darüber, derart schnell Herr über die Lage geworden zu sein. Da war noch so viel Kraft in ihm, die er gerne verschleudert hätte, noch so viel Mut – noch so viel Blutgier.
    Nun, den einen Hässlichen hatte er ja noch. Er schien ängstlich seinen flüchtenden Kumpanen etwas nachzurufen, und Balduin kostete die Macht über ihn aus – die Macht, ihn am Nacken zu beuteln, ihn schließlich in das helle Licht des Weges zu zerren, ihn auf den Boden zu stoßen. Schon hob er das Schwert, bereit, ihm den Kopf entzweizuhauen. Er fühlte sich frei von den Lasten der letzten Wochen, frei von den Erinnerungen, die ihn beim Töten ansonsten gequält hatten, einfach nur willens, aller Welt

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