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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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sollte, wie blind.
    Die Stimme seines Vaters, die er sonst ständig im Ohr hatte, verstummte.
    »Wir Grafen sind Vertreter des Königs«, hatte jener ihm stets eingebläut, »und der König schickt regelmäßig Boten aus, damit sie unsere Arbeit kontrollieren. Zu zweit reisen sie, ein Geistlicher und ein Weltlicher – und wenn sie nicht zufrieden sind mit dem, was sie in der Grafschaft vorfinden, so werden sie dich absetzen …«
    Jene Boten gab es schon lange nicht mehr, Grafen konnten vom König nicht mehr einfach abgesetzt werden, und anders als früher war jene Würde genauso erblich wie die der
Vicecomites
und
Ministri rei publicae
– die Beamten, die dem Grafen zur Seite gestellt waren. Und doch hatte Roberts Vater es geschafft, ihm stete Furcht vor Vernachlässigung seiner Pflichten einzuprägen – zumindest bis jetzt.
    Jetzt war ihm alles gleich. Er hielt es nicht in seiner Amtsstube aus, sondern ging im Hof unruhig auf und ab. Zu seinem Erstaunen war er nicht der Einzige. Auch Alpais schritt nicht weit vonihm ihre Runden ab, allerdings nicht, um beunruhigt nach einem Trupp Reiter Ausschau zu halten, sondern um hingebungsvoll ihre Gebete zu murmeln.
    Ihr Anblick erregte in Robert unerwarteten ärger. Er war stets dankbar für ihre Frömmigkeit gewesen, hatte jene doch verhindert, dass aus ihr ein verbittertes Weib wurde, das nicht aufhören konnte, seine Kinderlosigkeit zu beklagen. Ja, Alpais klagte nie, sondern zeigte nahezu grenzenlose Hingabe an die Prüfungen des Lebens, und er hoffte stets, dass sie mit ihrer Inbrunst auch ein wenig von der Sorge um sein Seelenheil übernahm, um das er sich nicht in jener zeitlichen Fülle kümmern konnte wie sie. Andere Männer seines Ranges beauftragten Mönche, in ihrem Namen zu beten und zu fasten – nun, er hatte zu diesem Zwecke Alpais.
    In diesen Tagen der Sorge um Balduin aber verstörte ihn ihr Gebaren. Es zeigte keine Trauer, keine Anteilnahme. Sie lächelte versonnen wie stets, ihr Blick war wie weggetreten, ihre Gesten waren langsam und zögerlich. Und er fragte sich zum ersten Mal, ob dies alles womöglich nicht daher rührte, dass sie ein solch unirdischer, heiliger Mensch war, sondern weil sie von Kälte und Gleichgültigkeit durchdrungen war. Gleichwohl sie doch im selben Hof ihrer Wege gingen, fühlte er eine Mauer zwischen ihnen, wie sie nicht einmal ihre Kinderlosigkeit hatte aufrichten können.
    Umso erleichterter nahm Robert es auf, als noch ein weiteres Mitglied seines Hofs die Enge der Räume nicht länger aushielt und ins Freie flüchtete. In ihrer bleichen, angespannten Miene erkannte er sich selbst wieder. Hastig trat er zu ihr.
    »Johanna«, sagte er schlicht.
    Sie nickte wortlos, in den letzten Wochen schien sie geschrumpft zu sein. Hager war sie stets gewesen, jedoch immer von aufrechter Gestalt. Nun schien die Angst um Balduin ihren Rücken zu krümmen.
    »Ich kann nicht leben, wenn er tot ist«, murmelte sie unwillkürlich. »Ich … ich hätte kein Recht darauf …«
    Verwundert zog Robert seine Stirne in Falten. Er verstand nicht, was sie damit meinte. Die Trauer musste ihren Geist verwirrt haben.
    »Kein Recht … worauf?«
    Sie blickte an ihm vorbei. »Wenn es ihn nicht gibt, dann sollte es auch mich nicht geben. Ich habe nur seinetwegen … überlebt. Ansonsten hätte die Schuld mich umgebracht, die ich auf mich geladen habe …«
    Sie brach mitten im Satz ab. Trotz der Schwere, der sämtliche seiner Regungen unterworfen waren, erwachte Neugierde in ihm.
    »Schuld?«, fragte er. »Von welcher Schuld redest du? Als du seinerzeit nach Laon kamst, wirktest du wie der erbarmungswürdigste Mensch auf Erden.«
    Der Schmerz um Balduin schien sämtliche Grenzen zu brechen, die sie einst sorgfältig zwischen sich und der Welt gezogen hatte. »Als die Normannen mein Dorf überfallen haben, da habe ich etwas getan, was sich kaum aussprechen lässt. Ich habe …«
    Kurz schien sie bereit, ihr Geheimnis zu verraten. Doch im nächsten Augenblick brach sie ab, von dem gleichen Geräusch gestört, das auch Robert zusammenzucken ließ.
    Das Getrappel von Pferdehufen. Lautes Rufen.
    Seit Tagen hatte er darauf gewartet, hatte die folternde Ungewissheit kaum noch ertragen. Doch nun, da sich die Heimkehr der Truppe ankündigte, glaubte er, die Aufregung müsse ihn zerreißen.
    »Bitte, Allmächtiger, gib ihn mir wieder!«, stammelte er und hielt sich nur mühsam aufrecht. Um ein Haar wäre er ins Innere geflohen, um dort auf die Nachricht zu

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