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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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von seiner Frau berichtete, deren eine Körper-hälfte seit einigen Wochen gelähmt war, hatte sie nicht gezögert, ein Heilmittel dagegen zu brauen: Sie rieb eine Unze Myrrhe, eine Unze Weihrauchkörner, eine Unze Steckenkrautsaft und zwei Unzen Salbei in einem Mörser, vermischte alles mit Wein und übergab es dem Mann mit der strikten Anweisung, es seiner Frau neun Mal täglich einzuflößen. Vierzig Tage lang dürfe sie nun kein Fleisch zu sich nehmen, und zwischendurch solle sie einen Trank aus Wegwarte, Wasser und Pfeffer trinken.
    Anschließend freilich hatte sie jeden verscheucht; zu groß war ihre Unruhe, seitdem sie erfahren hatte, welch hoher Gast heute in Laon eingetroffen war. So sehr sie ihre aufgewühlte Seele auch zu beschwichtigen suchte, eilten ihre Gedanken doch immer wieder zu Balduin und dem Königssohn, die nun schon seit Stunden eine Unterredung hielten.
    Als Balduin endlich erschien, unterdrückte sie nur schwer ein erleichtertes Seufzen. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er mit seinen Neuigkeiten als Erstes zu ihr kommen oder ob er sie lieber mit dem Grafen besprechen würde – und war beseelt, als er nun vor ihr stand. Anstatt ihm aber zu zeigen, wie gierig sie seiner geharrt hatte, sortierte sie ungerührt getrocknete Hagebutten,Mispeln und Schlehen. Seit Balduin sich damals, in der dunklen Zeit nach Audacers Tod, geweigert hatte, mit ihr über das Grauen zu sprechen und sie davon auch nichts hatte hören wollen, fiel es ihr nicht leicht, unbeschwert auf ihn zuzutreten und ihn liebevoll zu umarmen.
    Ein kurzes Frösteln befiel sie. Es schüttelte dann und wann ihren Körper, vielleicht, weil er viel zu mager war.
    »Du frierst, geh näher an den Herd«, forderte Balduin sie auf.
    »Ich mag das Feuer nicht.«
    Balduin zuckte die Schultern. »Hast du gehört, was geschehen ist?«
    »Der Sohn des Königs hat dich aufgesucht. Ich bin stolz auf dich, Balduin!«
    Johanna ließ das dunkle, getrocknete Kraut sinken, dessen kleine Kapseln sie zerbröselte. Unbeteiligt war ihr Blick bisher gewesen, doch nun, da er auf Balduin glitt, leuchtete er auf und schenkte den glanzlosen grauen Augen viel mehr Farbe, als sie jemals durchflutet hatte.
    »Warum …«, setzte er zögernd an.
    »Im letzten Jahr ist mir aufgegangen, dass dir Großes beschieden ist! Ich habe immer gehofft, dass du ein tapferer Krieger wirst, aber erst da … Nun, wie auch immer: Du hast schon längst einen Lohn dafür verdient, dass du so viele Normannen besiegt hast.«
    »Aber woher weißt du …«
    »Ludwig besucht dich nicht grundlos, nicht wahr? Er hat von deinen Heldentaten vernommen, und nun wünscht er, dass du ihn auf seinem Kriegszug begleitest. Tu es!«
    »Ich habe ohnehin keine Wahl …«, murmelte er.
    Balduin spürte nichts von Johannas Begeisterung. Klebrig wie Wachs war das Unbehagen, das Ludwigs Worte in ihm heraufbeschworen hatten. Selbst als er den Wunsch des Kaisersohns verstanden und sich ihm der große Zusammenhang erschlossen hatte, regte sich kein Gefühl des Triumphs darüber, dass Ludwig zu ihm gekommen war – nur Unverständnis, Verwirrung. Nicht, weil er der Falsche für diese Aufgabe war. Sondern weil LudwigsWorte nicht danach klangen, dass er einen Helden suchte, sondern einen solchen vielmehr verachtete.
    »Erzähl’s mir!«, forderte Johanna.
    »Der Kaiser hat im letzten Jahr beinahe sein Reich verloren. Sein Bruder Ludovicus Germanicus ist einmarschiert und hat sich mit dem Adel Neustriens verbunden. Wenn die Bischöfe rund um Hinkmar von Reims nicht …«
    »Das ist bekannt!«, fiel Johanna ihm ins Wort. Ihre Stimme klang ungewohnt scharf, vielleicht, weil sie ihre Neugierde nicht zu zügeln verstand.
    »Ich wusste nicht, dass du dich derart für Politik interessierst«, murmelte Balduin überrascht. Er hatte kaum erlebt, dass sie an einer Sache Anteil nahm – es sei denn, es ging um ihn oder um ihre Kräuter. »Bis jetzt hat sich der Kaiser vor seinen Söhnen und Brüdern gefürchtet. Doch nun traut er selbst dem Adel nicht, vor allem der Familie der Gauzbertiden, und deswegen will er seinem Sohn eine Chance geben. Ludwig ist zwar immer noch bevormundet, und alles, was er tut, muss er mit seinem
Bajulus
Adalard absprechen, aber anstatt ihn weiter von der Welt – und ergo der Macht – fernzuhalten, will der König, dass er sich nun endlich im Krieg beweist …«
    Johanna nickte, als wären diese Worte keine überraschung. »Gegen die Normannen.«
    »Ja«, bestätigte Balduin. »Eine neue

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