Das Geständnis der Amme
K-K-K-K …«
»Zur K-K-K-Königin?«, äffte sie sein Stottern nach. Ein Raunen ging durch den Saal. »Lass mich sprechen, Bruder, dann haben wir es früher hinter uns. Ja«, zum ersten Mal wandte sie sich direkt an Balduin, »ja, ich bin Königin. Denn Ihr müsst wissen: Es war sehr wichtig für meinen guten Vater, meinen Rang geklärt zu haben, ehe er mich Ethelwulf von Wessex zur Frau gab, und deswegen ließ er mich vor der Hochzeit feierlich krönen. Da fiel es doch kaum ins Gewicht, dass mein Vater jünger als sein Schwiegersohn war und ich gerade erst zwölf. Was machte dieser Altersunterschied auch aus! Hauptsache, ich war Königin! Mein Vater und mein Bräutigam haben sich im übrigen ganz vorzüglich verstanden. Sie sind einander begegnet, als Ethelwulf sich auf seiner Pilgerreise nach Rom in Gallien befand – einmal auf dem Hinweg, wo mein Vater ihm zum Schutz eine Eskorte mitgab,einmal beim Rückweg, wo ich als Braut dargeboten wurde. Schade nur, dass ich noch ein Kind war und noch nicht einmal geschlechtsreif. Doch darauf achtete niemand. Schließlich besaß ich immerhin das kanonische Mindestalter, als ich auf dem heiligen Altar der Ehe geschlachtet wurde.«
»Judith!«, rief Ludwig mahnend dazwischen.
»Nun, ich bin also Königin«, fuhr sie dessen ungeachtet fort, mit einem freundlichen, fast beschwingten Tonfall. »Vor allem aber bin ich Witwe. Gleich zweifache. Sagte ich, dass mein erster Gatte uralt war? Nun, es dauerte nicht lange, da rief der Allmächtige ihn zu sich. Nach seinem Tod durfte ich seinen Sohn Ethelbald heiraten, der freilich das zweite Ehejahr ebenso wenig überlebte wie sein Vater. Ob das an mir liegt und möglicherweise ein Fluch an mir haftet oder nur daran, dass ihr Männer so dumm seid, euer kostbares Leben gerne auf dem Schlachtfeld auszuhauchen?«
Ludwig seufzte. »Die Z-Z-Z-Zunge meiner Schwester, Balduin, ist so scharf w-w-w-wie …«
»Erklär ihm das doch nicht, lieber Bruder«, fiel Judith ihm ins Wort. »Soll er sich selbst ein Bild machen … wenn er kann. Nach dem Tod meines zweiten Gatten wären übrigens noch drei Brüder vorhanden gewesen. Für mich waren es ja Stiefsöhne. Oder Schwäger. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet.«
»Ich g-g-g-glaube, du würdest Ba-Ba-Balduin einen größeren Gefallen tun, wenn du ihm etwas zu essen anbötest, anstatt ihm Fa-Fa-Familiengeschichten zu erzählen«, warf Ludwig ein.
»Ich dachte, ihr Krieger seid stets bereit, die größten Opfer zu bringen, damit wir dummen, geschwätzigen Weiber es wohlig haben? Also, meine drei Schwäger, das waren: Ethelred, Ethelberth und Alfred. Ich gebe zu, es ist nicht immer leicht, sich diese vielen Namen zu merken, zumal sie einander so ähneln. Vermögt Ihr es, sie zu wiederholen, werter Balduin? Ihr müsst nicht unbedingt! Den Kopf zu gebrauchen überlasst ihr Krieger ja lieber dem Klerus; es reicht doch vollends, wenn ihr das Schwert beherrscht und damit mordet, ist es nicht so?«
Ihre Stimme hatte bislang entweder gelangweilt geklungen oder leise belustigt. Doch ihre letzte Frage war schneidend scharf und blieb eine Weile im Raum stehen, als sie ihre Rede abbrach. Balduin wurde tiefrot im Gesicht, und er schien seine Kiefer mit aller Macht zusammenzubeißen, um nicht unbotmäßig auf diese Beleidigung zu antworten.
Ludwig blieb gelassen, doch das aufgedrehte Grinsen von zuvor schwand nun vollends aus seinem Gesicht.
»V-v-v-vielleicht ist es besser, du ziehst dich zurück, J-J-J-Ju-dith.«
Sie senkte den Blick, doch nur vermeintlich demütig. Im nächsten Augenblick erhob sie sich langsam und schritt bedächtig auf Ludwig zu. Sie war größer als er, wenngleich nicht ganz so groß wie Balduin.
»Mein Vater sperrt mich hier ein«, zischte sie in Richtung ihres Bruders. »Er hat diesen gefräßigen und habgierigen Bischof zu meinem Kerkermeister gemacht. Damit er in aller Ruhe meinen Brautschatz verschwenden und einen geeigneten dritten Mann für mich erwählen kann. Sei’s drum. Ich kann mich nicht dagegen wehren, mit welchen Mitteln auch? Aber deine Befehle, Ludwig, lieber Bruder, deine Befehle nehme ich nicht entgegen! Du hast mir nicht zu sagen, wann ich was zu tun habe.«
Ihr Blick richtete sich auf Balduin. Das Rot war wieder aus seinem Gesicht gewichen, aber er konnte sich nicht beherrschen und schüttelte verächtlich den Kopf.
»Solche Weiber wie mich kennt Ihr nicht, nicht wahr? Zumal Ihr doch gewohnt seid, dass sie sich Euch willfährig
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