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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Bistümer und Abteien hatten verleihen lassen. Nach dem Scheitern der Revolte hatte man es den Verrätern – so auch ihrem Vater – gründlich heimgezahlt. Glück hatte, wer nur sein Vermögen, nicht aber sein Augenlicht, seine Männlichkeit oder gar seinen Kopf verlor. Ihre eigene Zukunft und die ihrer Schwestern war ungewiss gewesen – bis Judith Erbarmen zeigte und sie in Senlis aufnahm.
    Balduin war erstaunt über ihre Offenherzigkeit. Die Menschen, die er kannte, verschwiegen es, wenn ihr Name beschmutzt war – von Feigheit oder Verrat oder Verarmung –, und trugen es nicht dreist vor sich her wie dieses Mädchen. Freilich, ihm war’s gleich, wer sie war … Oder nein, ganz gleich war es ihm nicht. Irgendwie belustigte es ihn, dass die steife, bösartige Judith ihn zwar mit Worten schlagen, aber nicht verhindern konnte, dass eine ihrer Frauen zu ihm gekrochen kam, ihrer Bewunderung Ausdruck verlieh und ohne Zögern schlecht über ihre Herrin sprach, wiewohl sie es doch jener – so entnahm er es zumindest ihrer Rede – verdankte, gemäß dem Rang ihrer Geburt leben zu können.
    »Sag, Joveta«, lud er sie ein, und die Lust in seiner Stimme galt nicht nur ihrem Körper, sondern dem Trachten, es der hochmütigen Königin heimzuzahlen. »Sag, kannst du mir den Rücken waschen?«
    Sachte Röte schlich über das Gesicht des Mädchens. Er dachte schon, er wäre zu weit gegangen und ihre Avancen würden an dieser Stelle enden. Doch alsbald erkannte er, dass es nur der Dampf war, der ihre Wangen hatte dunkler werden lassen. Denn als sie sich niederbeugte, fielen ihre Berührungen so selbstverständlich und bestimmt aus, dass er sich sicher war, nicht der erste Mann zu sein, den sie im Bad erfreute.
    Am nächsten Morgen war Balduins ärger wider Judith fast gänzlich erloschen.
    Während die anderen Männer aus Ludwigs Gefolge in der Schlafecke der Halle auf Strohbündeln und unter warmen Pelzen genächtigt hatten und jetzo ihre steifen Glieder schüttelten, fühlte er sich nach den Stunden in Jovetas weichem Lager entspannt und ausgeschlafen. Er betrat den Saal, ohne an Judith zu denken, die mit ihren Damen noch nicht erschienen war, und nahm neben Ludwig Platz, der wie üblich lustlos an seiner Morgenmahlzeit – Dinkelbrei mit Honig – kaute. Balduin hatte Ludwig selten mit gutem Appetit essen gesehen, und er hatte gelernt, dass der Königssohn üblicherweise einige Stunden brauchte, um sich an den neuen Tag zu gewöhnen, und bis dahin nur ungern Worte wechselte. Darum unterließ er es – von einem kurzen Gruß abgesehen –, mit ihm zu reden. Er hielt auch die Frage zurück, wie lange sie in Senlis weilen würden, und machte sich stattdessen selbst über das Essen her.
    Er hatte seine Schüssel noch nicht gelehrt, als Judith mit ihren Damen den Saal betrat. Ihr Auftritt am Vortag hatte sämtliche Gemüter erregt, wohingegen ihr Erscheinen nun lautlos und unauffällig vonstatten ging. Balduin bemerkte sie erst, als sie auf der anderen Seite von Ludwig Platz nahm – und auch dann galt seine Aufmerksamkeit vor allem Madalgis, die mit der Königin in den Saal gekommen war, jedoch den Kopf gesenkt hielt und ihm nicht in die Augen sah.
    Er musste noch Gelegenheit finden, mit dem Mädchen zu reden, wollte sie unbedingt fragen, warum sie hier in Senlis war und ob es ihr wohl erginge. In Gedanken versunken gewahrte er kaum, dass Judiths Blick auf ihm ruhte. Erst als sie mit ausdrucksloser Stimme »Guten Morgen, Graf Balduin«, sagte, fuhr er hoch und antwortete mit einem steifen Nicken.
    Sie wandte sich von ihm ab und der Mahlzeit zu, ohne dabei ihren Kopf und ihre Schultern sonderlich zu regen. Ihrem Bruder schenkte sie keine Beachtung, als wüsste sie ebenso wie Balduin um dessen schlechte Morgenlaune.
    Unmerklich ließ Balduin seinen Blick über sie streifen. Sie trug eine andere Tunika als am Tag zuvor – sie war aus einem schlichten Taubengrau, das ihr Gesicht blasser erscheinen ließ und ihre blauen Augen funkelnder. Ihre Haare waren mit Nadeln zusam-mengehalten, an deren Enden kleine Perlen aus Glas steckten, die ebenfalls bläulich glänzten. Rubinrot hingegen waren ihre Ohrringe und die Brosche, die ihren Umhang an der Brust zusammenhielt.
    Während sie schweigend aß, entspannte er sich und fand zu jener satten Ausgeruhtheit zurück, die ihm das gestrige Bad und die Nacht geschenkt hatten. Sein Blick wanderte von Judith zu ihren Damen, machte kurz bei Joveta Halt, gewahrte ihr vertrauliches Lächeln und

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