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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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blutunterlaufenen Augen –, streichelte es und redete auf es ein. Das Tier tänzelte im engen Verschlag, indes ein Stallknecht mit gesenktem Kopf auf Königin Judith zutrat und fragte, ob er ihr Pferd satteln solle.
    Balduins Erstaunen wuchs. Schwer nur konnte er sich Ludwigs Schwester anders vorstellen als hinter ihrem elfenbeinernen Tischchen sitzend, von wo aus sie mit ihrer spitzen Zunge zuschlug. Doch obwohl sie sich am ersten Tag über die Jagd der Männer lustig gemacht hatte, schien es ihr nicht fremd zu sein, auf dem Pferderücken durch die Wälder zu streifen und jenes Mindestmaß an Freiheit zu kosten, das selbst einer Frau wie ihr zustand. In die Vorstellung vertieft, welche Figur sie wohl beim Reiten abgab, gewahrte er nicht, wie sie sich in seine Richtung wandte und ihn erkannte.
    Als er ihren Blick spürte und schließlich erwiderte, musterte sie ihn eine Weile schweigend und mit diesem eigentümlichen schmallippigen Lächeln, das ihn irgendwie maulfaul deuchte. Sie schien zu zögern, ob sie mit ihm sprechen sollte, und da er gerne auf einen Wortwechsel verzichten konnte, senkte er rasch den Kopf. Doch in diesem Augenblick ließ sie von ihrem Pferd ab und trat mit gemessenen Schritten auf ihn zu.
    »Graf Balduin«, begann sie gedehnt, »rüstet Ihr Euch für eine neue Schlacht?«
    Aus ihrem Mund klang es, als wäre dies das schändlichste Vorhaben, das man sich denken konnte.
    Balduin spannte seinen Körper an, doch anstatt sich zu verteidigen, gab er scharf zurück: »Wozu sonst taugt ein dumpfer Krieger wie ich, als dazu, Schlachten zu schlagen?«
    Das Lächeln verstärkte sich und erreichte ihre Augen. »Vergebt, wenn ich an Eurem Stolz gekratzt habe. Freilich bin ich gewiss zu zart und kraftlos, um sonderlich tief zu schürfen. Sagt, wie kommt es eigentlich, dass mein Bruder einerseits große Stücke auf Euch hält und nicht von Eurer Gegenwart lässt, zum anderen aber mit vielen kleinen Gesten verrät, dass er Euch nicht leiden kann?«
    Balduin schwieg verwirrt.
    »Nun, ich denke, er neidet Euch die hohe Statur und das Kriegsglück«, beantwortete sie sich ihre Frage selbst, um dann sogleich hart hinzuzufügen: »Die Sorgen von euch Männern möchte ich haben.«
    Es ärgerte ihn, dass sie einen wunden Punkt – sein missliches Verhältnis zu Ludwig – erkannt und treffsicher darauf eingehackt hatte. »Es sind Sorgen, die Ihr nicht kennt, Königin!«, entfuhr es ihm. »Habt Ihr jemals derart gefroren, dass Ihr meintet, die Glieder würden Euch abfallen? Habt Ihr jemals derart Hunger gelitten, dass Ihr gerne Steine gegessen hättet, um irgendetwas in den Magen zu bekommen? Ihr wisst nichts vom Krieg!«
    Ihr Lächeln kühlte aus. »Es gibt so viele Arten, Krieg zu führen … und besiegt zu werden. Warum ist der Krieg der Männer immer so viel mehr wert als der der Frauen? Ihr denkt, ich könnte kein Blut sehen? Ich kann. Ich habe Euch doch von meinem ersten Ehemann erzählt und dass die Allianz zwischen seinem Reich Wessex und der
Gallia
ausgerechnet dann geschlossen wurde, als ich noch ein Kind war. Nun, Ethelwulf konnte darauf keine Rücksicht nehmen – er brauchte fränkische Unterstützung, um den Aufstand von einem seiner Söhne niederzuschlagen.« Judith zuckte die Schultern. »In der Hochzeitsnacht dachte ich, er würde meinen Leib zerreißen und jener würde niemals wieder zuwachsen, sondern ausbluten wie ein geschlachtetes Schwein.«
    Sie klang nicht so, als würden die Furcht und der Schmerz von einst sie noch quälen, vielmehr triumphierend, als Balduin angeekelt seine Stirn verzog.
    »Ich will das nicht hören!«, rief er, als ihr Redefluss versiegte. »Es ist … es ist nicht recht, davon zu sprechen!«
    Redend war sie näher getreten. Sie schien sich am dreckigen Boden des Stalls nicht zu stören.
    »Ist es das nicht?«, gab sie zurück und blieb dann endlich stehen, kaum drei Schritte von ihm entfernt. »Ich weiß, die Triumphe der Helden werden gern besungen. Während des ganzen Hochzeitsmahles wurde ständig von der Schlacht von Ockley gesprochen, bei der Ethelwulf die Normannen schlug, und von der im Vexin, bei der sich wiederum mein Vater gegen die Feinde aus dem Norden verteidigen konnte. Was zählt da schon das Geschick von Frauen? Und wenn Könige sich rühmen – wer will dann noch von den Qualen der vielen namenlos Gefallenen wissen?«
    Obwohl es im Stall dunstig war, konnte er ihre Erscheinung genauer mustern: Ihr mit Goldfäden durchwobenes Kleid wehte sacht in der

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