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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Inhalt schien Johanna nicht minder besorgniserregend als sein Schweigen.
    »Warum nimmt er dich nicht mit? Es wäre gut, wenn du …«
    »Es ist mir gleich. Ich habe mein Lehen. Ich bin nicht Ludwigs Stallknecht.«
    Johanna zuckte zusammen. Der Trotz blitzte ganz unverhohlen durch seine Stimme.
    »Aber Balduin …«, setzte sie an, entschied sich dann aber doch anders und atmete tief durch. »Wann wirst du wieder in den Norden reiten, nach Flandern?«, fragte sie und versuchte, nüchtern zu klingen.
    »Weiß nicht«, gab er ebenso knapp wie zuvor zurück.
    »Was ist nur mit dir los? Was ist in Senlis geschehen … dass du so bist?«
    Kurz flackerte in seiner Miene etwas auf, was ihr verräterisch erschien, nicht länger dieser unerträgliche, kleinmütige Trotz, diese Verschlossenheit, sondern ein Ausdruck tiefster Verwirrung, fast Verzagtheit. Doch ehe sie dafür Bestätigung fand, gab er schroff zurück: »Was sollte schon geschehen sein? Nichts ist geschehen!«
    »Wann ziehst du wieder in den Krieg?«
    »Du scheinst ja reichlich erpicht darauf zu sein, mich in Gefahr zu wissen.«
    »Balduin …«
    »Die Wahrheit ist doch …«, er erhob sich mit einer rüden Bewegung und schob sie unsanft beiseite, als sie sich vor ihm aufbaute und seinen Blick suchte. »Die Wahrheit ist doch … lohnt sich dieser Krieg überhaupt?«
    »Balduin! Die Normannen sind unsere schlimmsten Feinde!«
    »Wusstest du eigentlich, dass unser König Geschäfte mit ihnen macht? Auch mit dem finsteren Völundr!«
    Er ging unruhig durch den Raum, rammte seine Fersen geradezu in den Boden.
    »Soweit ich gehört habe«, meinte sie, »hat dieser Pakt kein gutes Ende gefunden.«
    »Kein gutes Ende?« Er lachte höhnisch auf. »Völundr hat sich zuerst von König Karl bestechen lassen, dann aber leider auch von einer anderen Gruppe Normannen, die ihm mehr für ein Bündnis zahlten. Ich weiß schon längst nicht mehr, wessen Krieg es ist, den wir hier führen. Komm mir nicht mit den armen Menschen, die in diesem Land leben, bedroht werden, beschützt sein sollten. In Wahrheit schert sich doch niemand um diese Menschen … um diese Bauern. Wenn du wüsstest, oh, wenn du nur wüsstest …«
    Gebannt hatte Johanna ihm anfangs zugehört, hatte nach einem Hinweis gesucht, was ihn in diese Stimmung versetzt hatte. Doch sämtliche Worte, die er sagte, waren von Spott und überdruss zerfressen.
    »Lass es gut sein für heute«, würgte sie seine Rede ab. »Mir musst du dich nicht erklären. Niemandem musst du dich erklären. Nicht jetzt. Du solltest dich ausruhen, zu neuen Kräften kommen. Und … und ich könnte dir ein Mädchen schicken. Eine der Mägde, die Seifen zubereitet, sie duftet vorzüglich … Mechthild … Sie ist vierzehn Jahre alt und im letzten Sommer erblüht wie eine Rose. Ihre Wangen …«
    Während sie sprach, hatte sie sich ihm genähert, nicht offenkundig, sondern von hinten. Sie streichelte sanft über seine Schultern, legte schließlich ihren Kopf auf seinen Rücken, um ihn fest darauf zu pressen.
    Balduin stieß sie nicht fort, lehnte aber ihren Vorschlag rüde ab. »Es gibt genügend Menschen, die mir befehlen, wann ich in den Krieg zu ziehen habe. Ich brauche niemanden, der mir sagt, wann ich ein Weib lieben muss.«
    »Ich dachte doch nur …«
    Bis dahin hatte sie versucht, die Verwirrung in ihrer Stimme zu verbergen. Nun ließ sie ihre Stimme mit Absicht gekränkt klingen – und gepaart mit ihrer sachten Umarmung verfehlte es seine Wirkung nicht.
    Als er sich umdrehte und ihre Hände ergriff, erschien er ihr verlegen. »Es tut mir leid«, murmelte er, »Vergib mir meine unbedachten Worte …«
    Sie wollte seinen vorsichtigen Händedruck erwidern, doch da hatte er ihr schon seine Finger entzogen und wich von ihr zurück.
    »Balduin …«, stammelte sie. Kälte breitete sich aus, aber nicht jene, die sie bereits kannte, die von der Einsamkeit stammte, vom Winter und vom Alter, das sich mit knirschenden Knochen ankündigte. Das alles ertrug sie, hatte es immer ertragen, es war Teil des Bannkreises, den sie um sich gezogen hatte. Nur Balduin hatte sie darin geduldet. Ja, sie hatte ihn eingeladen, um sich selbst an ihm zu laben, seinen Kräften, seiner Jugend, seinem Lächeln. Nun erhaschte sie nichts davon.
    »Balduin …«
    Er musste das Entsetzen gesehen haben, das in ihrer Miene aufwallte, denn gleichwohl er den Abstand zu ihr aufrechterhielt, wurde seine Stimme versöhnlich.
    »Vergib mir meine unbedachten Worte«, bekräftigte

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