Das Gestaendnis des Scheichs
Ich bin auf dem Anwesen unserer Großmutter. Hast du gewusst, dass das Gästehaus seit letztem Jahr vermietet ist?“
„Nein. An wen denn?“
„An eine Künstlerin. Warum hat unsere Großmutter ein Geheimnis daraus gemacht? Ich habe auch nichts davon geahnt.“ Es wurde Zeit, mehr über Ella Ponti herauszufinden.
„Du lieber Himmel. Hat diese Frau unsere alte Dame etwa ausgenutzt, indem sie ihr irgendeine rührselige Geschichte aufgetischt hat?“
„Genau das möchte ich herausfinden. Kannst du jemanden aus der Firma beauftragen, diese Person zu überprüfen? Der Mietvertrag ist erst in vier Jahren kündbar, und vorher will sie nicht ausziehen.“
„Hast du die Vereinbarung von einem unserer Anwälte überprüfen lassen?“
„Schon geschehen. Da ist nichts zu machen. Und diese Frau gibt keinen Millimeter nach. Obwohl ich ihr viel Geld angeboten habe, ist sie nicht bereit einzulenken.“
„Dann durchleuchte ihre Vergangenheit. Irgendwas wird sich schon finden, um sie loszuwerden.“
„Ich denke, ich lasse sie lieber eine Weile in Ruhe. Trotzdem möchte ich mehr über sie erfahren. Ich vertraue der Menschenkenntnis unserer Großmutter, die sich offensichtlich mit der Frau angefreundet hatte.“
Sein Bruder schwieg einen Moment, dann fragte er: „Ist sie hübsch?“
„Was hat das mit den Nachforschungen zu tun? Sie ist verwitwet.“
„Oh. Also gut, einer meiner Leute wird dich nachher anrufen. Du kannst ihm selbst erklären, wonach er suchen soll. Übrigens essen Bethanne und ich heute Abend bei unserer Mutter. Hast du Lust zu kommen?“
„Heute nicht. Ich gehe gerade die Sachen unserer Großmutter durch. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie nicht mehr da ist. Immer wieder denke ich, sie kommt jeden Moment zur Tür herein.“
„Willst du nicht doch in das Haus einziehen?“
„Ich hatte vor, es zu verkaufen, bis sich die jetzige Bewohnerin quergestellt hat.“
„Das macht mir die Witwe sympathisch. Schließlich will keiner von uns, dass du dich davon trennst.“
„Es ist nicht dein Anwesen. Du hast das Haus am anderen Ende der Stadt.“
„Und dort werden Bethanne und ich auch wohnen. Aber du liebst doch auch das Meer. Warum behältst du das Anwesen nicht?“
„Es ist zu groß.“
„Dann heirate und sorge dafür, dass dort Leben einkehrt.“
„Grüß unsere Mutter von mir, und sag deinem Mitarbeiter, er soll sich schnell bei mir melden“, erwiderte er ausweichend. Rashid sollte es besser wissen. Nur weil er sich vor Kurzem verlobt hatte, brauchte er nicht zu glauben, dass auch er, Khalid, eine Ehe in Betracht zog.
Er beendete das Gespräch und betrachtete erneut die Vase, die er am vergangenen Abend auf seinen Schreibtisch gestellt hatte. Sie war, wie ein Ei geformt, wirklich gelungen. Von ihrer Mitte aus breiteten sich Linien, die an Sonnenstrahlen erinnerten, aus und endeten in hauchzarten goldenen Strichen. Wie hatte sie das nur hinbekommen?
Das Gefäß sah robust aus und wirkte gleichzeitig zart und bezaubernd. Kein Wunder, dass es seiner Großmutter gefallen hatte.
Er wusste nun, dass Ella ihm nichts vorgemacht hatte, als sie sich als Künstlerin ausgegeben hatte. Vermutlich hatte seine Großmutter ihr Talent erkannt und beschlossen, sie zu fördern. Doch warum hatte sie nie darüber gesprochen?
Khalid stand auf und ging zur Tür. Er würde Ella im Gästehaus aufsuchen und sich selbst ein Bild von ihrer Arbeit machen.
Das Häuschen stand, von dichtem Pflanzenwuchs verborgen, unweit des großen Hauses. Erst als Khalid direkt davorstand, sah er, dass angebaut worden war. Das musste das Atelier sein. Kaum zu glauben, wie großzügig seine Großmutter sich ihrer Mieterin gegenüber gezeigt hatte.
Die Tür stand weit offen. Ella war völlig von ihrer Tätigkeit gefangen genommen und bemerkte ihren Besucher nicht. Er beobachtete sie eine ganze Weile. Sie trug eine große Lederschürze und -handschuhe, die ihr über die Ellbogen reichten, dazu eine dunkle Schutzbrille und saß rittlings auf einer langen Werkbank, an deren einem Ende eine Metallplatte befestigt war, auf der sie das flüssige Glas mit der Spitze der Glasmacherpfeife drehte. Fasziniert verfolgte er, wie es langsam Form annahm. Hinter Ella stand ein Ofen, aus dessen offener Tür Hitze strömte.
Sie hatte ihr dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Ihm fiel auf, dass sie trotz der Arbeitskleidung sehr weiblich aussah. Wie war sie nur auf diesen fast ausgestorbenen Beruf gekommen? Man brauchte
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