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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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militärisch korrekt durchgedrückt, und sich die Nägel zu Klauen feilte.
    »Dieser Konkursfall. Ich meine, dieser Versicherungsfall. Im Zusammenhang mit einem Konkurs. Ich wollte noch mal einen Blick darauf werfen, bevor ich meinen abschließenden Bericht schreibe. Jetzt aber zu Ihnen …«
    Sie seufzte vernehmlich, als hätte das kurze Gespräch sie schon erschöpft. »Mr. Cranston möchte wissen, ob Sie das Gutachten für den Eaton-Nachlass schon fertig haben.«
    Eaton. Eaton. Er massierte sich die Stirn und arbeitete sich gedanklich rückwärts, wie es seiner Gewohnheit entsprach. Eaton reimte sich auf Seton. Seton Hall. Seton Hall lag in New Jersey. New Jersey wurde auch der »Gartenstaat« genannt. Sein Lieblingsgarten war die Anlage des Blenheim Palace. Palace Place – 4250 Palace Place. Das war die Adresse der Eatons! Aus den Tiefen seines Hirns kroch die Erinnerung an einen runzeligen siebenundachtzigjährigen Mann, der im Rollstuhl über den Marmorboden seiner Privatgalerie fuhr und dabei mit steifem Finger auf ein Bild nach dem anderen zeigte. Er dachte an den kahlen Kopf des Mannes und an den faszinierenden Leberfleck in Form von Brasilien, der fast den ganzen Schädel bedeckte. Leider war dieser Eaton naiv genug gewesen zu glauben, seine achtundzwanzigjährige dritte Ehefrau hätte ihn aus Liebe geheiratet. Jetzt, wo er tot war, begann sie umgehend damit, seinen Nachlass zu Geld zu machen.
    Die Gemäldesammlung war nicht besonders aufregend, bis auf ein Acrylbild von Mangold und ein paar Motherwell-Lithografien, die bei der Versteigerung ein hübsches Sümmchen erzielen würden. Dann gab es noch ein paar Möbel, hauptsächlich Louis Quatorze: zwei Beistelltische mit Intarsien, einen schmalen Eichenschrank und eine Boulle-Uhr aus schön gemasertem Holz und Bronze, die vielleicht fünfzigtausend erlösen würde. Die meisten Stücke allerdings waren weniger spektakulär und zeugten einfach von den Ambitionen eines gelangweilten reichen Mannes, der seinen Nachbarn im Prestigeduell immer um eine Nasenlänge voraus sein wollte.
    Stephen erinnerte sich genau daran, wie er die Sammlung vor acht Monaten katalogisiert und fotografiert hatte. Der Kamerablitz, der von dem ganzen grellen Weiß zurückgeworfen wurde – den Wänden, dem Marmorboden, den durchsichtigen Gardinen vor den palladianischen Fens tern –, hatte ihm Kopfschmerzen bereitet. Aber wann war das Gutachten eigentlich fällig gewesen? Und wo hatte er die Dateien dazu abgelegt? Auf seinen Computer hatte er noch nichts überspielt. Ein schneller Check förderte nur einen leeren Ordner mit dem Titel »Eaton« zutage. Er fuhr mit dem Stuhl zurück und blätterte durch die Akten auf dem Tisch, auf dem Schrank, auf dem Bücherregal. Nichts. Wenn er das Gutachten nicht auftrieb, war er geliefert. Cranston würde ihm keine weitere Chance geben.
    »Stephen?«
    »Ja, Sylvia?«
    »Was ist jetzt mit dem Eaton-Nachlass?«
    »Ich bin gleich fertig damit.«
    »Gut. Er möchte Sie heute um vier sehen und dann mit Ihnen zusammen den Papierkram durchgehen.«
    »Äh, das passt mir nicht so recht. Ich habe um vier leider schon einen Termin.«
    »Ich habe Ihren Online-Kalender geprüft. Da ist kein auswärtiger Termin verzeichnet.«
    Die Frau säuselte regelrecht. Er stellte sich vor, wie er das Telefon aus der Wand riss und sie damit schlug, bis sie in Stücke brach. Dann würde er sie à la Picasso wieder zusammensetzen – ein Ohr an die Hüfte, einen Arm an den Kopf, die Lippen an den großen Zeh.
    »Stephen, ich sehe auch in den nächsten Tagen keine Einträge in Ihrem Kalender.«
    »Das ist mein Fehler«, sagte er, während er sich durch einen Stapel Konservierungsberichte und fettige Sand wichpapiere wühlte. »Ich habe meinen Kalender noch nicht synchronisiert. Das wollte ich eigentlich heute Morgen tun. Also, heute wäre es schwierig.«
    »Er braucht das Gutachten aber dringend.«
    Stephen malte sich aus, wie Cranston vor ihr stand und darum bettelte. Ich brauche das Gutachten dringend, Sylvia. Unwahrscheinlich. Vielleicht handelte sie ja aus eigenem Antrieb heraus, um Stephens Position in der Firma zu schwächen. Er bemerkte eine Veränderung in ihrer Stimme. Vielleicht wurde sie gerade abgelenkt, weil irgendein anderer Unglücksrabe in ihr Blickfeld getreten war? Bitte, bitte, bitte, verdammt. Er biss sich fest auf die Unterlippe, bis er Blut schmeckte.
    »Wenn es heute absolut nicht mehr geht, dann trage ich Sie eben für morgen früh ein.«
    »Einen

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