Das Gewicht des Himmels
Cranstons fragenden Blick und wandte sich unsicher an Bayber: »Dieser Rahmen …«
»Ja, Mr. Jameson?«
»Ich muss ihn entfernen.«
Cranston begann zu widersprechen, aber Bayber hob die Hand. »Wir wollen doch alle dasselbe. Mr. Jameson, Sie dürfen tun, was notwendig ist.«
Cranston wurde plötzlich lebhaft. »Wir sollten den Rahmen in unserer Werkstatt entfernen, damit kein Schaden entsteht. Jameson, Sie werden doch wohl nichts tun, was das Werk in seiner Unversehrtheit beschädigen würde.«
»Ich glaube nicht, dass dabei etwas passiert. Das Gemälde scheint in gutem Zustand zu sein. Die Farbschicht ist stabil, keine abgeplatzten oder gekräuselten Stellen, nur ein paar geringgradige Furchen in wenigen Bereichen und einige Risse in der Oberfläche und der Grundierung – wahr scheinlich, weil die Umweltbedingungen nicht konstant waren.« Er schaute wieder zu Bayber hinüber. »Darf ich fragen, wo Sie das Bild aufbewahrt haben?«
»Ich kann Ihre Sorge nachvollziehen, Mr. Jameson. Die Bedingungen mögen nicht ideal gewesen sein, aber ich glaube nicht, dass das Gemälde in nennenswerter Weise strapaziert wurde.«
Stephen nickte. Cranston schäumte, er warf die Hände in die Luft und versuchte gar nicht mehr, sich zu beherrschen. Finch trat neben Stephen.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Bitte holen Sie mir meinen Koffer. Die Werkzeuge, die ich brauche, sind da drin.«
Stephen räumte eine große Fläche auf dem Boden frei und legte mehrere Planen aus. Finch kam mit dem Werkzeugkoffer zurück und nahm einige mit Stoff umwickelte Holzblöcke, die Bayber als Türstopper benutzte, legte sie als Eckstützen auf die Plane. »Cranston, wir brauchen auch Ihre Hilfe«, sagte er.
Nörgelnd gesellte sich Cranston zu ihnen, und die drei Männer drehten das Gemälde um. Stephen fuhr mit der Hand über die Keilrahmenleisten, um zu prüfen, ob sie sich verdreht hatten. Alle Eckkeile waren an Ort und Stelle, die Ecken sauber gegehrt. Da bemerkte Stephen Löcher, in denen Haken gesteckt haben mussten; diese fehlten allerdings, und es waren auch keine Drahtreste zu sehen.
»Das Bild muss aufgehängt gewesen sein«, sagte er zu Bayber. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Ja. Aber nur in meinem Atelier, Mr. Jameson. Ich nehme an, dass ich es damals als programmatisches Stück betrachtete. Aber programmatisch und pathetisch liegen nicht nur im Alphabet zu nahe beieinander.«
Stephen holte einige Zangen aus seinem Koffer und begann, die Nägel aus dem Rahmen zu ziehen. Jedes Mal, wenn er einen herausdrehte, hielt er den Atem an. »Here a moo, there a moo … Ich brauche einen Holzblock für den letzten, Finch. Etwas, was ich als Stütze benutzen kann.« Auf seinen Schläfen bildeten sich Schweißperlen. »Everywhere a moo.«
»Ich bitte Sie, Mr. Jameson!« Cranston schwitzte genauso wie Stephen und wurde langsam wütend. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, so viel Zeit auf allen vieren am Boden zu verbringen.
»Old MacDonald had a farm …. So, das hätten wir!«
Nachdem Stephen den letzten Nagel herausgezogen hatte, nahm er eine Pinzette, um den Rahmen einen Spaltbreit zu lockern, und trennte ihn von der Schiene, die die Leinwand festhielt. Dann wippte er auf den Fersen nach hinten und holte tief Luft. Stephen wies Cranston an, den Rahmen festzuhalten, während er und Finch behutsam die Leinwand zurückzogen.
Man hörte einen kollektiven Seufzer der Erleichterung, als der Rahmen sauber von der Leinwand getrennt war. Finch und Cranston stellten den Rahmen gegen die Wand, und Stephen untersuchte die Leinwand. Ein bisschen Abrieb durch den Rahmen, aber das konnte man vernachlässigen. Die Leinwand war aufgespannt und auf der Rückseite festgeklammert, sodass die Seitenflächen völlig glatt waren. Das Bildmotiv setzte sich durch die Aufspannung der Leinwand natürlich auch an den Kanten fort, aber dort fanden sich Abdrücke im Impasto. Stephen entdeckte Spuren anderer Pigmente in den reliefartigen Pinselstrichen – so als wäre das Bild an den Seiten abgeschliffen worden, als hätte irgendetwas dagegen gedrückt und Pigment auf Pigment gepresst. Er legte das Vergrößerungsglas zur Seite und rieb sich das Gesicht. Dann schaute er Bayber nachdrücklich an.
»Nun?«, fragte Cranston.
Stephen wandte den Blick nicht von Bayber ab. »Wo sind sie?«
»Wo ist was?«, fragte Cranston erregt und suchte den Raum mit den Augen ab. »Jameson, drücken Sie sich gefälligst klar aus. Wonach suchen
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