Das Gewicht des Himmels
erkannte, dass es ein seltenes Stück aus Makassar-Ebenholz war, hergestellt von Mason & Hamlin.
»Wir spielen nie darauf«, sagte sie. »Wir sind keine musikalische Familie. Aber es stand eben hier, da haben wir gedacht, warum probieren wir es nicht mal aus?« Sie schlug wiederholt das Dis an, als wollte sie unbedingt, dass die Taste unten blieb. Finch zog die Schultern an die Ohren. »Die Kinder haben aber nie Gefallen daran gefunden.«
»Es war schon da?«
»Es gehört nicht uns, sondern den Kesslers. Alles hier gehört ihnen. Wir haben das Haus möbliert gemietet.«
Finch schien genauso verwirrt, wie Stephen sich fühlte. »Entschuldigen Sie, Mr. und Mrs. Edell«, begann er, absichtlich ihre Nachnamen benutzend. »Sie haben das Haus also seit fünfunddreißig Jahren gemietet? Und in der ganzen Zeit hatten Sie nie Kontakt zu Natalie Kessler?«
»Na ja.« Esme flüsterte jetzt wie eine Verschwörerin. »Wir können es ja selbst kaum glauben. Ursprünglich wollten wir gar nicht so lange bleiben. Die Miete war anfangs auch zu hoch für uns, aber Winslows Eltern hatten ihm etwas Geld hinterlassen, sodass wir es uns trotzdem leisten konnten. Seit wir hier wohnen, hat es kaum Mieterhöhungen gegeben. Und Winslow ist handwerklich sehr begabt, er hält das Haus gut in Schuss.«
»Das sehe ich«, sagte Finch spitz und betrachtete die ungeschliffene Kante einer Fensterbank.
»Wir schicken den Scheck jeden Monat an die Immobilienverwaltung.« Esme stellte sich hinter den Sessel ihres Mannes und legte Winslow die Arme um die Schultern. »Tja, wahrscheinlich geht das nicht ewig so weiter. Aber wir sind darauf vorbereitet, nicht wahr, Schatz? Wir wollen uns einen Camper kaufen und ein paar Jahre durchs Land ziehen.«
»Sie bekommen wohl keine Post für die Kesslers?«, fragte Finch.
»Schon lange nicht mehr. Die ersten paar Jahre kam der übliche Kram, Kataloge, ein paar Zeitschriften und so was. Und viele Briefe und Pakete von Leuten, die nicht wussten, dass die Kesslers weg waren. Wir sollten alles an das Verwaltungsbüro weiterschicken, und das haben wir auch gemacht. Jetzt ist seit bestimmt … fünfundzwanzig Jahren nichts mehr für sie gekommen.«
»Könnten Sie uns wohl Namen und Adresse der Verwaltungsfirma nennen?«
Winslow sprang aus seinem Sessel, ging zu einem Schreib tisch und zog die unterste Schublade auf. Sie war voller Papierkram. »Die Firma sitzt in Hartford. Steele & Greene Property. Hier ist die Adresse.«
»Haben Sie einen besonderen Ansprechpartner?«, wollte Stephen wissen und notierte sich die Adresse auf einem kleinen Block.
»Ansprechpartner? Nein. Wir behelligen die nicht, und sie behelligen uns nicht. Wie Esme schon sagte, wir kümmern uns ums Haus und schicken am letzten Tag jedes Monats unseren Scheck ab. Wir sind absolut zuverlässig. Klappt alles prima.« Zum ersten Mal, seit er sie hineingelassen hatte, wirkte Winslow beunruhigt. »Sie werden ihnen doch nicht sagen, dass sie das Haus verkaufen sollen, oder?«
Finch saß kerzengerade in seinem Sessel und setzte ein Pokerface auf. »Ich versichere Ihnen, wir suchen nur nach Alice und Natalie Kessler, um ihnen eine Nachricht zu überbringen. Es hat nichts mit diesem Haus zu tun. Mrs. Edell, Sie haben gesagt, Sie hätten Natalie nur einmal getroffen. Hat Sie Ihnen zufällig verraten, wo sie hinwollte oder warum sie es so eilig hatte?«
Esme überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste. Es war kurz nach dem Hurrikan Agnes. Sie meinte, der Keller sei überflutet gewesen, aber Winslow konnte keine Schäden am Fundament entdecken. Ihre Eltern waren ungefähr drei Jahre zuvor gestorben. Wir dachten, sie wollten vielleicht woanders ganz von vorne anfangen.«
»Fanden Sie es nicht merkwürdig, dass sie alle ihre Möbel zurückließen?«
»Das war unser Glück, und warum sollten wir unser Glück infrage stellen?«, fragte Winslow und lächelte Stephen an. »Nachdem wir den Vertrag unterschrieben hatten, kam ein Mann von Steele & Greene, der jedes einzelne Stück katalogisierte – die Möbel, die Kücheneinrichtung, die Kunstwerke. Und wir haben gegengezeichnet. Es ist alles noch da.«
Nachdem Stephen das Wort »Kunstwerke« gehört hatte, wurde alles Weitere von dem Hämmern seines Herzens übertönt. Die fehlenden Bilder waren hier. Auch Finch war verblüfft, dass sich das Problem so rasch gelöst hatte. »Die Kunstwerke, von denen Sie gesprochen haben … können wir sie sehen?«
Esme bedeutete ihnen,
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