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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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machte, war das eine Sache, aber wenn ein Fremder darüber sprach, war es etwas ganz anderes.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich hasse dich nicht.«
    Natalie zuckte mit den Schultern und ging zu dem fast blinden Spiegel in der hinteren Ecke des Wohnzimmers, wo sie lose Haarsträhnen wieder hochsteckte und sich die Bluse glatt strich.
    »Ich habe ein Bewerbungsgespräch. Ich weiß nicht, wann ich wieder zurück bin.«
    »Ein Bewerbungsgespräch?«
    »Für einen Job. Irgendjemand muss ja arbeiten gehen, damit du immer genügend von deinen Pillenschachteln hast, die so rasend schnell leer werden.«
    »Aber wir haben doch das Geld von dem Haus.«
    Natalie trug pinkfarbenen Lippenstift auf und prüfte ihr Aussehen im Spiegel. »Das ist weg.«
    »Weg?« Alice hatte plötzlich einen trockenen Mund. »Wie kann es denn weg sein? Wir haben doch nichts gekauft.« Sie überschlug, was der überstürzte Verkauf des Hauses erlöst haben musste, und addierte dazu die geringe Summe, die ihre Eltern ihnen hinterlassen hatten – das war ihr einziger Schutz davor, auf der Straße zu landen. »Willst du damit sagen, dass wir kein Geld mehr haben?«
    Natalies Geduld war erschöpft. »Wir haben genug Geld für Lebensmittel, und wir können die Raten fürs Haus bezahlen. Jedenfalls noch für eine Weile. Ich habe zusammen mit dem Anwalt alles ausgerechnet.« Sie strich sich eine Locke hinter das Ohr.
    Alice erinnerte sich an den Nachlassanwalt, mit dem sie sich nach dem Tod ihrer Eltern getroffen hatten. Und sie erinnerte sich an seine Reaktion auf Natalie: Ihr Parfüm hatte ihm das Blut in die Wangen getrieben, und er hatte exakt vier Mal geblinzelt, als Natalie ihre Hand mit der Handfläche nach oben auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.
    »Aber wo …«
    Natalie unterbrach sie. »Ja, du hast vielleicht ein Stipendium gehabt, aber das heißt nicht, dass uns deine Teekränz chen an einem privaten College nichts gekostet hätten. Herausgekommen ist jedenfalls nicht viel dabei. Und deine ganzen Arztbesuche? Ich meine nicht den Rheumatologen und die Krankengymnastin und die Blutuntersuchungen und die vielen Medikamente. Ich rede von dem Gynäkolo gen. Aber da hättest du auch selbst drauf kommen können.« Sie zog ein Puderdöschen aus der Handtasche und rückte dem Glanz auf ihrer Nase zu Leibe. »Der Vater hat ja auch nichts bezahlt.« Sie schwieg. Mit lässiger Miene beobachtete sie Alice im Spiegel.
    Alice saß ganz still, hielt die Luft an und spürte, wie ihre zitternden Muskeln gegen die Knochen stießen. Hatte sie seinen Namen im Delirium gerufen? Hatte sie sich irgendwie verraten? Wusste Natalie, dass es Thomas war?
    Natalie zog sich die Haarnadeln aus der Hochsteckfrisur, und ihre Locken fielen herab. »Ich glaube, ich sehe besser aus mit offenem Haar. Ich weiß jedenfalls nicht, wann ich zurückkomme. Aber das ist ja auch egal, du schläfst dann sowieso. Weißt du, Alice, du solltest wirklich mal an die frische Luft gehen.«
    Die Vorstellung, bald ohne einen Cent dazusitzen, trieb sie zum Handeln. Sie und Natalie waren jetzt beide erwachsen – und beide arbeitslos. Sie hatten keine Krankenversicherung. Alice begann, ihre Medikamente zu rationieren, und nahm nur noch die Hälfte der verschriebenen Dosis ein. Sie hoffte, die Schmerzen würden sie aus ihrer Seelenqual reißen, ihr helfen, ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf das blanke Überleben zu richten. Mehrmals am Tag streckte und dehnte sie ihre Finger und Zehen, und anstelle eines Mittagsschlafs zwang sie sich dazu, in ihrem Schlafzimmer auf und ab zu gehen. Dabei dachte sie daran, was Thomas ihr über Edith Piaf erzählt hatte, und gab sich alle Mühe, beim Weitergehen an etwas anderes als Thomas zu denken.
    Eine Arbeit zu finden, war das Hauptproblem. Hier in der Gegend suchte niemand eine studierte Biologin, geschweige denn eine Ornithologin. Natalie dagegen würde sofort einen Job finden. Und tatsächlich, schon eine Woche später arbeitete sie in der Bank. Zwei Wochen später ging sie mit dem verheirateten Filialleiter aus. Alice war froh über jeden Dollar, der ihre Finanzen aufbesserte; gleichzeitig war sie sich bewusst, wie unsicher ihre eigene Situation war.
    Orion war ein kleiner Ort, der Veränderungen oder Störungen nicht gut ertrug. Und so wurden Natalie und sie betrachtet: als Störung. Das erklärte ihr Saisee, keineswegs unfreundlich, als sie eines Nachmittags zusammen in der Küche saßen. Saisee putzte Bohnen, Alice faltete ungeschickt Servietten fürs

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